Alle Jahre wieder. Das Packdrama

Insel.Sommer.Pause.1

"Aber das MUSS mit!" Der Kleine packt auf die bis an den Rand zugestellte Auffahrt noch eine Kiste mit Angelzeug. Da stehen aber schon Gebinde mit Brotbackmischungen und H-Milch, Spiele für drinnen und draußen, Gummistiefel, Regenzeug, Taschenlampen und Kerzen. Alles für fünf Personen und drei Wochen Ferien. Auf einer Insel. Auf der es zwar ein Haus gibt. Aber weder Strom noch Trinkwasser.

Inselsommer 1 / © Krumpen
Inselsommer 1 / © Krumpen

Dafür Wind, Wetter, Regen, Sonne. Und Sturmflut. Sonnencreme, Mütze, Regenhose und Fleecejacke sind wirklich unverzichtbar.  "Kommt überhaupt nicht in Frage, die Angel bleibt hier!" bricht es, urschreiähnlich, aus meinem Mann. Erst bebt die Unterlippe, dann das ganze Kind. Der Kleine stürzt sich, untröstlich, in meine Arme in der Küche.

In der ich Berge von Proviant für die fast dreitätige Anfahrt richte. Aus den Untiefen der Kinderzimmer kommen auch Schreie. "Badeanzug? Wanderrucksack? Solartaschenlampe ? Mama!!" Wahrscheinlich bin ich in Wirklichkeit ein Fundbüro.Das jeden Outdoorladenbesitzer vor Neid erblassen lassen würde. Ich schlichte, suche, finde, meistens jedenfalls, und beruhige. Am wichtigsten wäre: mich zu beruhigen. Noch besser: mich nicht aufzuregen. Leider auch am schwierigsten.

Ich seufze. Mache die Augen zu. Sofort ist alles da: der weite Horizont über dem rauen Atlantik, die Schreie der Möwen, der Kopf des Seehundes.  Bob, der alterslose Fischer mit seinem Kutter und anhängendem Ruderboot. Der warme Sand, das leuchtende Grün, federzarter Sprüh- und drückender Dauerregen. Sonne und Schauer in schnellem Wechsel, Feuerabende am Kamin und am Strand. Helle Freude über schillernde Glitzersteine und Delfine im offenen Meer, tiefe Trauer über am Felsen zerschmetterte Möwenkinder und elendig verendende Schafe. Und immer singt Wind ums Haus.

Ein Bild schiebt sich vor meine Erinnerungen: Der Große, noch ein Kindergartenkind, sitzt auf der Mauer vorm Haus. Gerader Rücken, Schneidersitz,  den Blick so konzentriert, wie im Horizont verloren, füllt er seine Seele mit der Weite des offenen Atlantiks vor ihm.

Ich atme tief auf. Schlagartig weiß ich wieder: vor  zwanzig Jahren wurde uns ein Juwel in die Hände gelegt. Damals waren wir noch keine Eltern. Saßen zu zweit auf den Klippen, schauten  Kormoranen, Seehunden und Möwenkindern zu. Wussten nicht, was das Leben uns bringen würde. Aber ahnten: wenn das Leben dieses Ferienparadies für uns im Gepäck hatte, könnte es, es gut mit uns meinen.

Ich mache die Augen auf und weiß: jeder Packstress  endet. Spätestens mit dem  geschlossenen Kofferraumdeckel.