Wort des Bischofs zum Tag der Deutschen Einheit

Mit meinem Gott überspringe ich Mauern!

Der Kölner Erzbischof, Rainer Maria Kardinal Woelki, richtet den Blick in seinem Video-Impuls auf den Mauerfall vor 25 Jahren und den 24. Tag der Deutschen Einheit.

 (DR)

Vor nicht einmal einem Monat bin ich von Berlin nach Köln gezogen. Noch immer habe ich nicht alle meine Umzugskisten ausgepackt. Als ich die alten Grenzübergänge der damaligen „Ost-Zone“ passierte, habe ich ganz automatisch wieder daran gedacht, wie ängstlich ich früher die Grenze zwischen beiden deutschen Staaten passierte. Auch in meiner Zeit als Erzbischof von Berlin wurde ich in schöner Regelmäßigkeit an unsere getrennte deutsche Vergangenheit erinnert. Vielen, die die unmenschliche Teilung Deutschlands noch bewusst erlebt haben, mag es ähnlich gehen.

Inzwischen sind Mauer und Grenze schon so lange her, dass die Jugendlichen, die ich firme, diese Zeit nur noch aus Erzählungen oder ihren Geschichtsbüchern kennen. Das ist gut so, denn wir Menschen müssen nach vorne schauen. Wer die Hand an den Pflug legt und dabei nur zurückschaut, taugt nicht für das Himmelreich. Aber wenn wir die Zukunft gewinnen wollen, dürfen wir die Vergangenheit nicht aus dem Blick verlieren. Deshalb sind Gedenktage wie der ‚Tag der Deutschen Einheit‘ gut. Sie helfen uns, nicht zu vergessen. Jeder der sich für die Freiheit und Einheit aller Deutschen eingesetzt hat, ist unserer Erinnerung wert. Alle Toten, die die Mauer forderte, mahnen uns, nicht zu vergessen. Für mich als Bischof ist es tröstlich, dass es Kirchen waren, die damals erste Orte der Freiheit waren. Mut macht es mir, dass damals auch viele Christen dabei waren, die sich für Freiheit und Einheit stark machten. Doch auch heute noch gibt es unzählige Mauern der Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit, die es einzureißen gilt! „Mit meinem Gott überspringe ich Mauern!“, dieses Bibelwort gilt damals wie heute. Es sollte uns Mut und Beine machen.

Ihr Rainer Woelki, Erzbischof von Köln