Wort des Bischofs aus aktuellem Anlass

Rette sie, wer kann!

Angesichts der Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer mit Hunderten von Toten bittet der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki die Verantwortungsträger in Europa um schnelle Hilfe. Aus aktuellem Anlass das Bischofswort.

 (DR)

Tag für Tag, Woche für Woche sterben Hunderte, vermutlich Tausende. Sie ersaufen elendig. Nicht irgendwo weit weg, sondern im noch winterkalten Wasser des Mittelmeers. Also eigentlich direkt vor unserer europäischen Haustüre. Immer öfter schaffen sie es mit ihren abgewrackten und immer völlig überladenen Schlepperbooten nicht bis an unsere Strände. Ihre Leichen treiben dann in unserem beliebten Sommer-Bade-Meer. Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat geht das jetzt schon so.

Direkt nach seinem Dienstantritt vor zwei Jahren ist Papst Franziskus zu allererst nach Lampedusa gereist, um auf diese Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer aufmerksam zu machen. Vor dem europäischen Parlament hat er eindrücklich gemahnt, Europa dürfe nicht zulassen, dass das Mittelmeer zum größten Friedhof Europas wird. Geholfen hat es leider wenig. Immer noch ertrinken die Menschen auf ihrer Flucht vor Krieg, Terror, Hunger und Perspektivlosigkeit. Die Welt schaut einfach nur zu – Europa schaut weg. Europa aber sind wir – Sie und ich – jeder Einzelne. Wir dürfen nicht mehr wegsehen, wir dürfen nicht länger tatenlos zusehen.

Ich bin vor dem Trauergottesdienst im Kölner Dom mit Menschen zusammengetroffen, die ihre nächsten Angehörigen bei dem schrecklichen Flugzeugabsturz in den französischen Alpen verloren haben. Eltern, die um ihre Kinder trauern. Ich kam mir unendlich hilflos vor und weiß nicht, ob ich diese verzweifelten Menschen wirklich trösten konnte. Aber ich weiß: Das Flugzeugunglück in den Alpen können wir nicht mehr ungeschehen machen – aber im Mittelmeer können wir helfen. Wir können Elend und Tod endlich stoppen, wenn wir unser europäisches Haus und unser menschliches Herz nicht länger verschließen.

Wir können nicht nur - wir müssen! Zu oft haben wir gerade in Europa und besonders wir Deutsche in der Vergangenheit weggesehen, das darf uns nicht wieder passieren. Ich bitte die Verantwortungsträger in Europa und unsere Regierung um pragmatische und schnelle Hilfe - Lebensrettung ist angesagt. Vielleicht ist das auch ein Ernstfall für unsere Marine? NGOs – Hilfswerke – Reedereien, jeden, der hier helfen kann, bitte ich eindringlich um Hilfe. Neben der Soforthilfe müssen wir die Langzeithilfe in den Blick nehmen: Ende mit Korruption in Afrika, Schaffung demokratischer Strukturen, Bildung und Ausbildung für alle, sodass Wohlstand in Afrika wachsen kann und junge Leute eine Perspektive haben. Und die Bereitschaft hier bei uns, unseren Wohlstand infrage zu stellen und ihn mit anderen zu teilen. Was wir selber als Kirche dabei tun können, werden wir tun. Jetzt aber geht es um die dringend notwendige Soforthilfe. Nicht länger dürfen Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken – Rette sie, wer kann!

Ihr Rainer Woelki
Erzbischof von Köln