Wort des Bischofs

"Unter jedem Dach wohnt ein Ach!"

Düstere Momente gibt es in jedem Leben, in jeder Familie. Das zeige auch ein Blick auf die Familie des nun verstorbenen Altkanzlers Helmut Kohl. Das meint Kardinal Woelki in seinem Wort des Bischofs. Der Volksmund hat dafür das Sprichwort geprägt: "Unter jedem Dach wohnt ein Ach!"

 (DR)

Gerade jetzt, wo die Spannungen in Europa unübersehbar sind, ist es ein gutes Signal, dass der verstorbene ehemalige deutsche Bundeskanzler, Dr. Helmut Kohl, mit einem europäischen Trauerakt geehrt wird. Denn Helmut Kohl, der Kanzler der deutschen Einheit, hat sich bis zuletzt immer auch für die europäische Einheit stark gemacht.

Aber ist es nicht verrückt, dass die Familie des großen Einheitskanzlers am Ende zerstritten und zerrüttet war? Dass selbst der große Staatsmann, dem die politische Einheit so am Herzen lag, den familiären Frieden in den eigenen vier Wänden nur selten fand? Es gab keinen Austausch mehr mit den eigenen Kindern. Die Nachricht vom Tod erfuhren sie aus den Medien.

Seine erste Ehefrau, die ihm aufopferungsvoll für seinen politischen Aufstieg den Rücken freihielt, die nahm sich, als ihre Krankheit unerträglich wurde, sogar das Leben. Gerade diese tragische familiäre Seite im Leben von Helmut Kohl, die zudem in der Öffentlichkeit breit getreten wurde, zeigt: Bei jedem von uns läuft nicht alles immer nach Plan. Selbst da, wo vermeintlich nur immer hell das Licht strahlt, gibt es Schattenseiten. Dunkle, düstere Momente gibt es in jedem Leben – in jeder Familie. Der Volksmund hat dafür das Sprichwort geprägt: "Unter jedem Dach wohnt ein Ach!" – "Ach, meine Frau hat unheilbar Krebs!" – "Ach, ich bin oft so einsam!" – "Ach, meine Kinder, die kommen nie vorbei!" – "Ach, unsere Ehe, die ist schon längst tot!" – "Ach, unser Jüngster findet keine Arbeit!" 

Die Lebensliste unserer Wehs und Achs findet oft kein Ende. Als Seelsorger weiß ich, dass eigentlich jedes Leben helle Tage, aber auch dunkelste Nächte kennt. Ich weiß aber auch, dass da immer einer ist, der uns Kraft gibt und hält. Ein Gott, der da ist, selbst, wenn wir ihn abgeschrieben haben!

Ein liebevoller Gott, der jeden am Ende unserer Tage liebevoll in seine Arme nimmt.

Ihr Rainer Woelki

Erzbischof von Köln