Wort des Bischofs

Höher, schneller, weiter…

Ja, auch in der Kirche ist das Streben nach Macht und Größe leider viel zu oft an der Tagesordnung. Wir Menschen können offenbar gar nicht anders, meint Kardinal Woelki in seinem Wort des Bischofs und erinnert an das Versprechen Jesu: Es werden die Letzten die Ersten sein ...

 (DR)

Wir Menschen können offenbar gar nicht anders. Immer will einer von uns besser oder größer sein: Die Kollegin ist schneller mit ihrer Arbeit fertig, der Nachbar war viel weiter weg im Urlaub, der Freund verdient viel mehr Geld. Höher, schneller, weiter – dieses Motto gilt nicht nur bei den Olympischen Spielen, es durchzieht unser ganzes Leben. Der Dom hinter mir war damals bei der Fertigstellung natürlich das höchste Gebäude der Welt und viele Kirchenmänner, gerade auch hier in Köln, wollten natürlich die Mächtigsten und Größten sein. Selbst bei uns in der Kirche ist dieses Streben nach Macht und Größe also auch leider viel zu oft an der Tagesordnung.

Dabei verlangt Jesus von uns eine ganz andere Einstellung: "Wer bei Euch groß sein will, der soll der Diener aller sein!“ Was für ein völlig verrückter Anspruch! Wir Menschen wollen doch nicht dienen, sondern viel lieber herrlich bedient werden. Wenn wir aber Christus nachfolgen wollen, dann müssen wir runter von unserem hohen Ross. Nicht unserem Gegenüber klar machen, wer hier der Boss ist und ihm mal ordentlich den Kopf waschen, sondern ihm die Füße küssen! Verrückt, oder? Aber Christen versuchten seit Jahrhunderten immer wieder neu, diesen nicht gerade einfachen Weg zu gehen.

Mut macht mir, dass ich immer wieder Menschen kennenlerne, die das schaffen. Die völlig selbstlos handeln und helfen. Die da sind, wenn man sie braucht. Und wenn man ihnen Danke sagen will, sagen sie noch: "Aber das ist doch selbstverständlich!" Nein, selbstverständlich sind selbstloses Handeln und hingebungsvolle Liebe eben nicht. Aber  wir müssen es  gemeinsam versuchen, dass auch für uns die Liebe zu unserem Nächsten zu einer Selbstverständlichkeit wird. Das Versprechen Jesu, dass die Letzten am Ende die Ersten sein werden, kann uns da schon heute Mut machen. Und hoffentlich auch Beine. Denn bekanntlich wird im Himmel der der Größte sein, der auf Erden nicht nur für sich, sondern für andere da war.

Ihr Rainer Woelki
Erzbischof von Köln