Wort des Bischofs

Barmherzigkeit ohne Ende!

Das von Papst Franziskus ausgerufene Heilige Jahr steht vor dem Abschluss. Kardinal Woelki ist überzeugt: "Das Jahr der Barmherzigkeit mag zu Ende gehen, aber die von uns ausgeübte Barmherzigkeit darf niemals aufhören!"

 (DR)

Wie oft bin ich im vergangenen Jahr hier am Kölner Dom durch unser Portal der Barmherzigkeit gegangen. Aber bin ich im Jahr der Barmherzigkeit, das an diesem Sonntag zu Ende geht, wirklich barmherziger geworden? Barmherzigkeit meint nicht nur ein großzügiges Herz für all diejenigen, die am Rande stehen – die Armen und Obdachlosen, die Alten und Kranken, die Trauernden und die Verzweifelten. Nein, Barmherzigkeit ist überall in unserer Gesellschaft notwendig. Unser ganzes Zusammenleben braucht Barmherzigkeit. Die Eltern, die bei der Erziehung ihrer Kinder auch mal Fünfe gerade sein lassen. Der Nachbar, der sich mal nicht über die lautstarke Gartenfete aufregt oder der Richter, der Gnade vor Recht erweist… Barmherzigkeit, das ist die helfende Hand, die im Alltag unterstützt. Barmherzigkeit ist das aufbauende Lächeln, das der alleinerziehenden Mutter wieder Mut macht oder die finanzielle Unterstützung, die der kinderreichen Familie ein paar sorgenfreie Urlaubstage schenkt. Wenn Jesus sagt, Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer, dann weist er uns darauf hin, dass es zuallererst um eine Grundeinstellung geht. Wir sollen unser Herz für den Nächsten öffnen. Wir sollen unserem Gegenüber mit dem liebevollen Blick unseres Herzens betrachten und nicht mit dem berechnenden Blick unseres Verstandes, der sofort wieder fragt: „Was habe ich denn davon? Was kostet mich das?“

Das Jahr der Barmherzigkeit mag zu Ende gehen, aber die von uns ausgeübte Barmherzigkeit darf niemals aufhören.

Ihr Rainer Woelki
Erzbischof von Köln