Wort des Bischofs

Versuchung Christi in der Wüste

Nach 40 Tagen in der Wüste wird Jesus durch den Teufel in Versuchung geführt. Er widersteht wie die Kirche widerstehen muss, wenn sie in Versuchung gerät Missbrauch zu vertuschen, um den eigenen Ruf zu schützen, sagt Rainer Maria Kardinal Woelki.

 (DR)

Das Evangelium des heutigen ersten Fastensonntags zeigt uns Jesus – allein in der Wüste. 40 Tage fastet er dort. 40 Tage nichts zu Essen. Und der Hunger ist da. Und der Durst. Und die Wünsche kommen und werden stärker. Glaubt man den Erzählungen der Wüstenväter aus alter Zeit, sind die Versuchungen die eigentliche Gefahr.

Wer sich schon mal an einer Diät versucht hat, kennt das auch. Wie stark muss der Wille sein, um durchzuhalten? Wie stark die Überzeugung. Und dann kommt zu Jesus in die Wüste nach 40 Tagen der Versucher. "Bist du Gottes Sohn? Dann gebrauche deine Macht und verwandle Steine zu Brot." 

Und Jesus weiß, wenn er seine Macht missbraucht für seine Bedürfnisse, ist alles verloren. Der Versucher nennt noch gute Gründe für den Machtmissbrauch, zitiert sogar aus der heiligen Schrift. Aber Jesus weiß: Seine Macht als Gottes Sohn darf er nur für andere einsetzen, nie für sich selbst. Und er gibt damit seiner Kirche für alle Zeiten ein Beispiel.

Wenn die Kirche der Versuchung erliegt, den eigenen Ruf zu schützen und Missbrauch vertuscht, dann setzt sie ihre Macht für sich selbst ein. Dieser Versuchung gilt es zu widerstehen. Vielmehr muss sich die Kirche in der Nachfolge Jesu für Betroffene sexualisierter Gewalt einsetzen und ihren berechtigten Ruf nach Gerechtigkeit höher schätzen als das eigene Ansehen.

Das bedeutet Verantwortung übernehmen, Verantwortliche benennen; auch die Fehler klar aussprechen, die die Institution Kirche gemacht hat und auch noch macht.

Und wir müssen mit einer starken Prävention Missbrauch im Keim verhindern. Wenn wir Versuchungen ausgesetzt sind, ist das Böse nicht immer ganz so offensichtlich wie im Evangelium. Machtmissbrauch geschieht oft subtil. Umso deutlicher müssen wir "Nein" sagen. Umso stärker muss der Wille sein, sich dagegen zu wenden. Führen wir uns als Kirche vor Augen: Jesus kennt unsere Versuchungen und Schwächen. Mit seiner Gnade und mit ihm als Vorbild, hilft er uns ihnen zu widerstehen.

Ihr
Rainer Woelki
Erzbischof von Köln


Quelle:
DR