Wort des Bischofs

Nur nicht kirre werden!

Mit einer Virtual-Reality-Brille lässt sich die Realität computergestützt erweitern. Kardinal Woelki ist fasziniert davon. Dennoch machen ihn diese Parallelwelten verrückt. Die reale Welt, die uns Jesus Christus schenkt, ist für ihn mehr wert als die digitale.

 (DR)

Keine Sorge, ich bin kein Überbleibsel der Gamescom. Aber mich hat es schon fasziniert, wie hier auf dem Kölner Messegelände Zehntausende in die digitalen Spielwelten eingetaucht sind. Ich selber bin kein Gamer, in meinem Alltag spielen Videospiele keine Rolle. Mir reichen, ehrlich gesagt, schon die vielen Bilder meiner ganz realen Welt.

Eine verrückte Welt mit irren Gegensätzen: Hier der Obdachlose, der den ganzen Tag vor dem Dom hockt und um ein Almosen bettelt – direkt daneben vor dem Hotel Excelsior die edlen Luxusautos, aus denen die gut betuchte Gesellschaft aussteigt. Hier der Sektempfang mit dem Krabbencocktail – dort die aufgewärmte Suppe, die unsere Caritas an Bedürftige verteilt. Alles auf wenigen Meter direkt nebeneinander. Noch verrückter wird es, wenn ich spät am Abend durch die Programme zappe: Hier die Bilder der Flutkatastrophe mit Hunderten Toten in Indien – dort ein Reisebericht über das herrliche Urlaubsleben in Tirol. Auf Bildern vom Horn von Afrika sehe ich Dürre und Elend – einen Kanal weiter ist lustiges Promi-Dinner angesagt.

Manchmal könnte ich kirre werden angesichts dieser extremen Gegensätze. Aber als Christ lebe ich in der Gewissheit, dass da einer ist, der selbst in diesem Chaos bei mir ist. Der mich nicht alleine lässt – der bei mir ist und mir Mut macht. Jesus Christus gibt mir Halt. Ich vertraue darauf, dass er heile und gut macht, was ich nicht zusammenbringe. Als Christ erwarte ich voll Vertrauen auf sein Wort einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen die Gerechtigkeit wohnt. Also eine Welt, in der Gerechtigkeit und Liebe zuhause sind. Wetten, dass diese neue Welt viel schöner, größer, lebens- und liebenswerter ist als all das, was mir die digitalen Bilder jemals werden zeigen können? Aber Mitbauen an dieser neuen, gerechten und liebevollen Welt, das müssen wir schon …

Ihr Rainer Woelki
Erzbischof von Köln


Quelle:
DR