Wort des Bischofs

Provokation am Palmsonntag

Heute feiern wir Christen überall auf der Welt den Palmsonntag; den Tag, an dem Jesus mit seinen Jüngern zur bevorstehenden Feier des Paschafestes nach Jerusalem einzog. Eine Provokation...

 (DR)

Der Überlieferung nach ritt er dabei auf einem Esel. Was für eine Provokation! Römische Machthaber, die ritten damals hoch zu Ross. Und hier kommt einer, den man ob dieses Reittieres wohl offensichtlich zurecht nur als König der Juden verspottet. Der kommt auf einem armseligen Esel daher – ein Lasttier, das Bescheidenheit und Friedfertigkeit symbolisiert.
 
Jesus machte es den Menschen schon damals nicht leicht: Da predigt einer vom Reich Gottes und von einer Liebe, die alles verändert. Damit sorgte er für Unruhe. Seine ganze Person, sein Reden, sein Handeln – eine einzige Provokation. Wie ein Schwerverbrecher wird er deshalb dann auch wenige Tage später ans Kreuz geschlagen.
 
Wenn wir heute, da das Corona-Virus immer mehr um sich greift, Palmsonntag feiern, hilft es, uns gerade an Jesus, den Heiler und Provokateur zu erinnern. Ja – auch wir können und müssen heilen und helfen, gerade hier und heute, wo diese heillose Pandemie das Leben weltweit bedroht. Darüber hinaus will die Botschaft Jesu auch provozieren – auch heute. Denn seine Botschaft steht nicht für einen bequemen Kuschelkurs durchs Leben, sondern für einen radikalen Aufbruch aus Unrecht und Ungerechtigkeit. Dass Ungerechtigkeit auch die Corona-Krise verschärft, sehen wir in diesen Tagen mit erschreckender Konsequenz: Geschäfte werden gemacht mit Schutzkleidung, Flüchtlinge harren an den Rändern Europas in Lagern auf Rettung, Personal in Kliniken und Heimen leistet rund um die Uhr Lebensrettung. Und diejenigen, die uns weiter versorgen, sind oftmals nicht die, deren Gehälter ihre Familien angemessen versorgen können.
 
Begehen wir den Palmsonntag in diesem Jahr deshalb auch als Anfrage an uns, wie ernst wir machen, wenn es nach der Corona-Krise darum geht, unser Gemeinwesen und unser gemeinsames Leben anzugehen. Und lassen wir uns von Jesus selbst dazu einladen, entschieden und liebevoll zugleich zu sein. Er hat es uns vorgelebt. Der Mann, der kein hohes Ross brauchte, um die Welt und unsere Herzen zu verändern.
 
 
Ihr
Rainer Woelki
Erzbischof von Köln