Wort des Bischofs

Moderne Arbeitssklaven

Es gibt sie auch bei uns: Moderne Arbeitssklaven. Kardinal Woelki macht sich ein Bild von der Situation in Köln-Ehrenfeld und ist überzeugt: Wir dürfen nicht länger wegsehen und schweigen!

Kardinal Woelki / © dr (DR)
Kardinal Woelki / © dr ( DR )

Sie glauben, Arbeitssklaven, die gab es nur im alten Rom? Sie denken, die Zeit der Tagelöhner ist seit Jahrzehnten vorbei? Weit gefehlt! Mitten unter uns arbeiten Tag für Tag tausende Menschen, die vollkommen rechtlos sind. Menschen, denen ihr Lohn vorenthalten wird oder die für wenig Geld jeden Job annehmen müssen, um über die Runden zu kommen.

Wenn Sie genau hinschauen, dann entdecken Sie die Tagelöhner unserer Zeit auch in Köln, in Bonn oder in Düsseldorf. Mit ihren wenigen Habseligkeiten stehen sie dann z.B. genau hier in Köln Ehrenfeld an der Straße und suchen Arbeit – auf dem Bau, in den Schlachthöfen oder als Reinigungskraft im Hotel. Auch stundenweise, ohne Vertrag, für ein paar Euro. Oft kommen sie aus Rumänien oder Bulgarien. Sie schlafen im Auto, weil sie sich eine Unterkunft nicht leisten können.

Skrupellose Unternehmer und deren Mittelsmänner fahren vor, verhandeln mit den Tagelöhnern aus dem Auto heraus und nehmen die billigsten Arbeitskräfte mit. Für sie sind die Menschen auf dem Arbeiterstrich leichte Beute. Denn sie sprechen oft kein Deutsch und haben keine Möglichkeit, ihren Lohn einzuklagen.

Es ist ein Skandal, dass diese Ausbeutung Tag für Tag vor unseren Augen geschieht. Von Unternehmern und Subunternehmern, die sich von illegal Beschäftigten einen Wettbewerbsvorteil versprechen. Es sind EU-Bürger, die sich dabei wie Sklaven fühlen und jede Arbeit annehmen müssen.

Ein hoher Grad an Verzweiflung und Armut treibt diese Menschen oft weg von ihren Familien an den deutschen Arbeiterstrich. Wer die Not dieser Menschen in so schamloser Weise ausnutzt, weil er sie zu Dumpinglöhnen beschäftigt, der ist zynisch und rücksichtslos.

Papst Franziskus hat schon Recht – diese Wirtschaft tötet. Wir dürfen unsere Mitmenschen nicht wie ein Konsumgut betrachten, das man nach Gebrauch einfach wegschmeißen kann. Jedenfalls werde ich nicht länger wegschauen und schweigen.

Ihr Rainer Woelki

Erzbischof von Köln

Lesen Sie hier eine Reportage über den "Arbeiterstrich" in Köln-Ehrenfeld.