Wort des Bischofs

Ein Kreuz für Europa

Es knirscht und kracht es jedoch mächtig im Gebälk des "Hauses Europa". Kardinal Woelki meint: Stärken Sie mit Ihrer Stimme die Fundamente dieses Hauses, damit wir auch in Zukunft in einem demokratischen Europa leben, in dem christliche Werte nicht ausgehöhlt werden, sondern den Ton angeben.

 (DR)

Es ist gut und richtig, wenn Sie Ihren Tag mit einem Kreuzzeichen und einem Gebet beginnen. Heute aber möchte ich Sie herzlich bitten, auch ein Kreuzzeichen der anderen Art auf Ihrem Wahlzettel bei der Europawahl zu machen.

Unsere Demokratie lebt von der Stimme, die wir ihr geben. Und angesichts der aktuellen Herausforderungen, vor denen Europa steht, sind die Stimmen derjenigen, die Gott im Herzen tragen und das Wohl der Menschen in den Mittelpunkt stellen, besonders wichtig.

Das Bild vom "Haus Europa" ist bekannt. Aktuell knirscht und kracht es jedoch mächtig im Gebälk und in den Fundamenten. Während die einen ein offenes Haus wünschen, in dem die Menschenrechte beachtet werden, möchten andere das „Haus Europa“ gerne verbarrikadieren, damit bloß keine Flüchtlinge mehr reinkommen. Während die einen unsere Hausgemeinschaft substanziell stärken möchten, wollen andere, die Hausgemeinschaft so schnell es geht verlassen. Gestritten wird überall lautstark. Populisten und nationale Egoisten geben dabei zunehmend den Ton an. Mir macht das Sorgen. Selbstverliebte, nationalradikale Sprücheklopfer, die nationale Alleingänge planen und zwar viel vom Volk reden, ihm aber letztlich nicht dienen wollen, sind für mich keine Alternative - nicht für Deutschland und nicht für Europa.

Es gibt so vieles, das wir nur gemeinsam, solidarisch und grenzüberschreitend regeln können: zum Beispiel den lebensnotwendigen Klimaschutz oder eine gerechte Wirtschaftsordnung im Blick auf die Macht multinationaler Unternehmen ebenso wie im Blick auf die Veränderungen unserer Welt durch die Digitalisierung. Der Mensch und seine lebenswerte Zukunft müssen im Mittelpunkt aller Bemühungen stehen. Europas Wurzeln liegen in seiner Christianisierung. Dort entspringen Menschenrechte und Demokratie. Unser christliches Wertesystem bietet in meinen Augen eine hervorragende Grundlage für unser europäisches Haus. Stärken Sie mit Ihrer Stimme die Fundamente dieses Hauses, damit wir auch in Zukunft in einem demokratischen Europa leben, in dem christliche Werte nicht ausgehöhlt werden, sondern den Ton angeben: um der Menschen willen.

Ihr Rainer Woelki

Erzbischof von Köln


Quelle:
DR