Wort des Bischofs

Der längste Tag

Heute, am längsten Tag des Jahres wünscht Kardinal Woelki allen, "dass Sie für sich Ihre Zeit als eine von Gott geschenkte Zeit erkennen und erfahren können." Und er gibt einen ganz konkreten Ratschlag .... 

 (DR)

Heute ist bei uns auf der Nordhalbkugel der längste Tag des Jahres. Es ist Sommersonnenwende. Von heute an werden die Tage wieder kürzer. Obwohl der Sommer laut Kalender doch jetzt gerade erst so richtig beginnt. Je älter ich werde, desto mehr überrascht mich, wie schnell augenscheinlich die Tage eines Jahres vorüber zu gehen scheinen. Gefühlt geht alles irgendwie viel schneller: Gerade erst war Frühling und Sommer, da naht schon wieder Herbst und Winter. Wenn ich daran denke, wie lange es für mich als Kind dauerte, bis z.B. endlich Sommerferien waren... Zeitforscher sagen uns, dass wir die "gefühlte Zeit" immer in Beziehung zu unserer eigenen Lebenszeit setzen. Wenn man also – so wie ich – schon viele Jahre auf dem Buckel und damit viele Sommer erlebt hat, dann vergehen eben auch diese Sommer viel schneller als bei einem Kind, das gerade erst wenige Sommer bewusst erlebt hat.

Wie auch immer wir die Zeit fühlen – wichtig ist, dass wir im Blick haben, dass unsere Lebenszeit hier auf der Erde ein Geschenk ist. Geschenkte Zeit, die wir jeden Tag neu nutzen können. Kostbare Zeit, die wir nicht einfach nur totschlagen sollten. Die Bibel weiß darum, dass in einem Leben alles seine Zeit hat: Dass es für jegliches Geschehen unter der Sonne eine eigene Zeit gibt. Eine Zeit zum Säen – und eine zum Ernten. Eine Zeit zur Freude – aber eben auch eine Zeit zu trauern. Ich wünsche Ihnen heute, am längsten Tag des Jahres, dass Sie für sich Ihre Zeit als eine von Gott geschenkte Zeit erkennen und erfahren können. Und dass Sie sogar etwas von dieser Zeit an andere verschenken können: Gönnen Sie doch z.B. Ihrem Gegenüber einfach mal ein Lächeln. Sie werden feststellen, dass Sie in der Regel sofort einen frohen Augenblick zurückgeschenkt bekommen. Gönnen Sie sich doch wenigstens einmal am Tag eine kleine Auszeit, in der Sie sich für Gott etwas Zeit nehmen. Gott braucht diese Zeit nicht. Er hält sie bekanntlich in seinen Händen. Aber Ihnen wird beim Verweilen bei Gott – vielleicht sogar in einem Gespräch mit ihm – klar, wie wunderbar und wie kostbar die Zeit ist, die Gott einem jeden von uns hier auf Erden schenkt.

Ihr
Rainer Woelki
Erzbischof von Köln