Unterwegs mit dem Bonifatiuswerk durch das Land der Fjorde

Nun sag Norwegen, wie hast Du es mit der Religion?

Nun sag Norwegen, wie hast Du es mit der Religion? Welche Rolle spielt der Glaube im Land der Fjorde? Es gibt eine protestantische Staatskirche, wenig Muslime und noch weniger Katholiken. Lediglich ein bis vier Prozent der Norweger sind katholisch. domradio-Redakteurin Kristina Kiauka ist gemeinsam mit dem Bonifatiuswerk, das Katholiken in der Diaspora helfen will, durch das Land gereist und hat Gemeinden, Klöster und katholische Schulen besucht.

Norwegen (dpa)
Norwegen / ( dpa )

„Wenn ich de Kölner Dom seh, jeht mir dat Hätz op ." Die Dominikarin Schwester Hildegard plaudert fliessend Kölsch, und das obwohl sie seit 19 Jahren in der norwegischen Hauptstadt Oslo lebt. In das skandinavische Land kam sie nicht aus eigenem Antrieb, der Ordensgeneral hatte sie damals gefragt. „Ich war erschrocken. Warum Oslo?" Gedanken gingen ihr damals durch den Kopf, sie werde „weggeschoben" aus der Heimat. Nach einer schweren Krankheit konnte sie nicht mehr ihren alten Beruf als Leiterin eines Jugendheims ausüben. Ausnahmsweise verschwindet das Fröhliche aus ihrem Gesicht als sie das erzählt. Auch der Wechsel vom apostolischen in das kontemplative Klosterleben löste einen „inneren Kampf" in ihr aus. Doch von Loswerden war keine Rede. Die Schwester sollte die Katholiken in der Diaspora stützen. Zudem suchte der Ordensgeneral für das Land mit protestantischer Staatskirche jemanden, der ökumenisch interessiert war. „Ich war im Orden bekannt als ein Mensch, der sich sehr für die Einheit der Christen begeistert", sagt die Nonne und erzählt von Taizé und Frère Roger, von einem evangelischem Pfarrer, der ihr wie ein Großvater gewesen sei.

Fjord und Gletscher ziehen Deutsche an

Fjord, Fjell, Foss, Fonn (Fjord, Berg, Wasserfall, Gletscher) - die vier F üben auf Deutsche eine große Anziehungskraft aus. Nach Angaben der norwegischen Zeitung „Aftenposten" kommt ein großer Teil der Norwegentouristen aus Deutschland. 500.000 Deutsche sind es im Schnitt pro Jahr, die vor allem in den hellen Sommermonaten in den hohen Norden aufbrechen. Von Juni bis August ist das Wetter meist sehr angenehm und die Temperaturen liegen in der Oslo bei 20 bis 22 Grad. Im Winter zeigt sich Norwegen von seiner anderen Seite: Dunkelheit, Kälte und Schnee prägen den Alltag der Menschen. Es gibt Deutsche, die beide Seiten in Kauf nehmen. Im vergangenen Jahr wanderten laut Statistischem Bundesamt 3000 Deutsche nach Norwegen aus. Insgesamt leben rund 21.000 deutsche Immigranten und deren Kinder in Norwegen. Die meisten der Auswanderer arbeiten als Handwerker, IT-Fachleute oder Mediziner.

Bodø: Die katholische Gemeinde hilft beim Einleben

Für den Radiologen Heiner Backmann war es schwer, gemeinsam mit seiner Frau, ebenfalls einer Medizinerin, in Deutschland eine passende Arbeitsstelle zu finden. Darum beschlossen sie vor elf Jahren ihre Heimatstadt Haltern in der Nähe von Münster zu verlassen. Jetzt lebt das Paar mit seinen drei Kindern in Bodø, eine Stadt im Norden des Landes mit etwa 46.000 Einwohnern. Schmucklose Häuser, die ein wenig provisorisch wirken, prägen das Stadtbild. Mittelpunkt von Bodø ist der Hafen mit regem Fähr- und Güterverkehr. Zwei Wochen dauert hier im Dezember die Polarnacht, abgesehen von einem leichten Dämmern um die Mittagszeit, geht die Sonne den ganzen Tag nicht auf. „Die katholische Gemeinde war ein wesentlicher Faktor, um hier in Bodø Fuß zu fassen", sagt Backmann. Im feuchtkalten Gemeindesaal bereitet er mit dem Norweger Thomas Sivertsen, Mitglied des Pfarrgemeinderats, einen einfachen „Lunch" aus Cracker und Käsedips. Hier isst man erst spät warm, sagt Backmann. Der Gemeindesaal liegt in „Little Vatican" wie die Bodøer die Gegend scherzhaft nennen. Hier sind auch die Kirche, ein kleines Kloster mit zwei Dominikanerinnen und die katholische Schule untergebracht. Backmanns Sohn Hendrik besucht die Schule, die in der Stadt einen guten Ruf genießt. Pro Schüler gebe es hier mehr Lehrer als an staatlichen Schulen, Hendrik werde individuell gefördert und der christliche Aspekt spiele eine Rolle, zählt Backmann die Anmeldungsgründe auf. Gerade das Christliche sei in einer normalen norwegischen Schule nicht mehr erwünscht, sagt der Arzt.

Die Perspektive auf eine erfolgreiche Karriere war es nicht, die den Optiker Peter Drecker in den Polarkreis verschlagen hat. Die elf Filialen und die Augenklinik haben sich dann über die Jahrzehnte hinweg ergeben. Drecker kam aus purem Idealismus. „Ich wollte zur Völkerverständigung beitragen." In den 60er Jahren, kurz nach seiner Ausbildung, wollte er ein Zeichen des Friedens setzen. Als Kind eines Wehrmachtssoldaten beschloss er in ein Land zu ziehen, in das Deutsche während des Zweiten Weltkrieges einmarschiert waren. Er entschied sich für Norwegen. Hier verfolgten die Deutschen bei ihrem Rückzug die Strategie der verbrannten Erde, viele Orte in Nord-Norwegen wurden vollständig niedergebrannt. Natürlich sei er manchmal auf Ablehnung gestoßen, doch im Gespräch habe er Vorurteile abbauen können. Die Völkerverständigung funktionierte auch auf anderer Ebene ausgezeichnet. „Wegen der Liebe", schmunzelt Drecker, sei er geblieben. Mit seiner norwegischen Frau lebt er in Tromsø im Polarkreis. Der gebürtige Bielefelder gehört in der Stadt zum harten Kern der katholischen Gemeinde. Zur ganzen Prälatur, die sich über eine Fläche von 175 000 Quadratmeter streckt, gehören gerade einmal 2400 Katholiken. Er erzählt von einem großen Brand in der Innenstadt im Jahr 1969, damals half er Bücher aus der bischöflichen Bibliothek zu retten. Mit den Altbischöfen von Tromsø verstand er sich ausgezeichnet. Den neuen Bischof Berislav Grgic, der zuvor als Pfarradministrator in Oberhachingen bei München arbeitete, will er nun auch kennenlernen. Auch im Rentenalter hat er seine alten Motive nicht vergessen. Im hohen Norden Norwegens in Mehamn will er sich um eine Grabstätte von sechs norwegischen Kriegsopfern kümmern, damit die Vergangenheit nicht in Vergessenheit gerät.

Karwoche: Statt Besinnung nur Skiurlaub

Die gebürtige Neusserin Jutta Harings-Bjørklid hat sich in der Telemark, einer sehr ländlichen und nur schwach bewohnten Gegend Norwegens, ganz ihrem Glauben und ihrer Familie verschrieben. Ihren norwegischen Mann Lars hat die 48-Jährige bereits während ihres Studiums in Schweden kennen gelernt. Nach einer gemeinsamen Zeit in Tübingen beschloss die Kunsthistorikerin in die Heimat ihres Mannes zu ziehen. Die beiden haben mit Liv (14), Guri (11) und Britt (9) drei bildhübsche blonde Töchter. Da sie die Sprache und Kultur bereits kannte, brachte der Umzug nach Norwegen keine größeren Überraschungen. Nur ihr katholischer Glauben litt zunächst sehr. Das erste Mal fiel ihr das so richtig in einer Karwoche auf, die von vielen Norwegern für einen Skiurlaub genutzt wird. Im Radio liefen Tipps zur richtigen Skiausrüstung, zum Proviant und den Wetteraussichten, berichtet sie kopfschüttelnd. „Da hat sich eine Wunde in mir geöffnet." Seitdem hat sich einiges geändert. Einmal im Monat holt sie sich den Schlüssel für den protestantischen Gemeindesaal, der nicht weit von ihrem Haus entfernt liegt. Mit rund 40 anderen Katholiken und dem für die Telemark zuständigen Pater feiert sie dann Gottesdienst. In den drei Sommermonaten sind sie in einer alten hölzernen Stabkirche in Heddal. Es ist eine sehr internationale Gemeinde. Die größte Gruppe stellen Vietnamesen, ein paar Polen, die Familie Harings-Bjørklid, eine weitere deutsche Familie, eine Österreicherin und dann kämen immer noch ein paar Zufallsgäste dazu. Doch ganz zufrieden ist sie noch nicht. „Indem wir als Gemeinde kein Gottesdiensthaus haben, sind wir als Gemeinde nicht erkennbar", sagt sie. Die katholische Kirche sei zu wenig bekannt und zu wenig präsent in Norwegen. Besonders frustiert sie der Religionsunterricht an norwegischen Schulen. Ihre älteste Tochter Liv habe zuletzt gelernt, dass Katholiken mit den Heiligen an mehrere Götter glaubten und Ablasshandel zum katholischen Glauben dazu gehöre. Der katholische Glaube würde als „Außenseiterphänomen" behandelt, sagt Harings-Bjørklid. Tochter Liv erzählt zögerlich, dass sie zwar nicht ihren katholischen Glauben in der Schule verschweige, aber von den monatlichen Gottesdienstbesuchen will sie auch nicht erzählen. Schlimm sei das nicht, nur „es wäre schön, wenn andere katholische Mädchen hier wären", sagt die 14-Jährige.

Läutende Kirchenglocken gibt es auch in den Vororten der Stadt Bergen nicht. „Ich vermisse, dass ich dadurch meinen Kindern nicht die religiöse Erziehung weitervermittelt habe", sagt Bettina Sandgathe-Husebø in Bergen. Gemeinsam mit ihrem norwegischen Mann Stein Husebø hat sie sechs Kinder. Nachzügler Max ist zehn Jahre alt. Mit ihm betet sie abends auf Deutsch, singt deutsche religiöse Lieder. „Ich habe es eine Zeit lang mit der katholischen Kirche in Bergen versucht, aber das hat mich nicht angesprochen", sagt die 49-Jährige. Sie fühle sich eher der evangelischen Gemeinde in ihrem Vorort zugehörig, aber dort ist ihr der evangelische Gottesdienstablauf relativ fremd. Sandgathe-Husebø ist der Liebe wegen nach Norwegen gegangen. An dem Land gefällt ihr die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sie arbeitet als Professorin für Schmerztherapie und hat mit ihrem Mann ein Pflegezentrum für alte Menschen aufgebaut. In Deutschland konkurriere man mehr um das einzelne Vorwärts kommen, alles sei mehr stressbesetzt, sagt sie. Trotz Beruf würde einem in Norwegen Zeit für seine Kinder zugestanden, zum Beispiel wenn das Kind krank sei. „Das macht das Leben sehr viel angenehmer als Frau hier zu arbeiten", sagt die gebürtige Sauerländerin. Auch wenn Norwegen nicht ihr Heimatland ist und sie nie ganz norwegisch sei, fühle sie sich hier sehr wohl.

Kirche in Norwegen: Persönliche Begegnung statt Masse

Im Lundenkloster in Oslo blättert Schwester Hildegard durch ihr Album mit den Karnevalsfotos. „Ich darf sagen, dass ich im Karneval immer auch Heimweh habe", sagt Schwester Hildegard. Sie blättert vom Putzfrauenkostüm weiter zu den Bildern mit einem Polonaise-Umzug, aber ohne dabei eine Spur traurig zu wirken. Im Bistum hat sie eine halbe Stelle als Seelsorgerin und betreut rund 80 Menschen. Mal sind es kranke afrikanische Einwanderer, mal Leute mit Eheproblemen oder auch pubertierende Jugendliche. Sie erzählt, dass sie sich Sorgen um die norwegische Jugend mache. „Der Jugend mangelte es nicht am Finanziellen, was mangelt, ist die Familie." Da sieht die Schwester einen Ansatzpunkt für die Kirche. Katholisch sein in Norwegen erlebe sie näher am Ursprung und auch als Chance. „Kirche geschieht hier nie in der Masse sondern nur in der persönlichen Begegnung." Die Nonne sucht nicht nur in der Seelsorge die Begegnung. Sie arbeitet mit der protestantischen Kirche vor Ort zusammen, kennt das norwegische Königspaar und hält den Kontakt zu möglichen Spendern in Deutschland, wie dem Bonifatiuswerk. Sie bricht auf zu einem kleinen Spaziergang um das Kloster. Es liegt in einer ruhigen Wohngegend, umgeben von kleinen schlichten Holzhäusern. In den meisten Gärten weht die norwegische Flagge. „Wir hissen unsere auch am 17. Mai." Schwester Hildegard zeigt auf den schmalen silbrigen Fahl und stimmt an „Ja, vi elsker dette landet." Zu Deutsch „Ja, wir lieben dieses Land", der Beginn der norwegischen Nationalhymne. Wenn die Schwestern am Nationalfeiertag singend vor dem Fahnenmast stünden, dann käme die ganze Nachbarschaft zum Gucken. Zehn Schwestern sind sie im Lundenkloster aus sechs verschiedenen Nationen. Sie sei Mitglied in einer der schönsten Ordensgemeinschaften, die sie kenne. Schwester Hildegard schwärmt von der norwegischen Natur und Kultur. „Ich hoffe, dass der liebe Gott mir die Gnade schenkt, dass ich mein Leben in diesem Kloster auch beenden darf."