Nach dem Referendum zum Südsudan der vergessene Krieg in Darfur

Die Balkanisierung

Egal, ob in Europa, den USA oder Afrika - in den vergangenen Wochen war der nun offizielle Unabhängigkeitsprozess im Südsudan eines der beherrschenden Themen. In Vergessenheit geraten ist dadurch jedoch ein weiterer Konflikt im bislang größten afrikanischen Flächenstaat: In der Region Darfur an der Grenze zum Nachbarland Tschad brodelt es weiter.

Autor/in:
Katrin Gänsler
 (DR)

Für die Menschen dort könnte die Entscheidung des Südens zur staatlichen Unabhängigkeit Signalwirkung haben. Seit Wochen werden die Einschläge in Darfur lauter. Deshalb hat nun auch gleich zweimal in den vergangenen sieben Tagen die Darfur-Mission der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union (UNAMID) Alarm geschlagen. Unter anderem kritisierte sie die Durchsuchung eines Flüchtlingslagers, bei der 37 Menschen festgenommen worden seien. Viel besorgniserregender sind jedoch die frischen Kämpfe in Norddarfur zwischen der Sudanesischen Befreiungsarmee (Sudan Liberation Army, SLA) und den Streitkräften der Regierung in Khartum, die nach Informationen der Tageszeitung "Sudan Tribune" seit vergangener Woche immer wieder aufflammen.



Mit überwältigender Mehrheit haben die Menschen im Südsudan  für einen eigenen Staat gestimmt. Vorläufigen Ergebnissen von Sonntag zufolge sprachen sich knapp 99 Prozent der 3,8 Millionen Wähler in einem Referendum für die Abspaltung vom Norden aus.



"Die Probleme können nur durch einen umfassenden politischen Prozess und nicht durch Gewalt gelöst werden", kommentierte der UNAMID-Sonderbeauftragte Ibrahim Gambari. Eine langfristige Lösung für die Gegend wird freilich schon sehr lange gefordert. Seit Jahrzehnten fühlen sich die Bewohner dort von der Zentralregierung in Khartum politisch und wirtschaftlich marginalisiert.



Zum ersten Mal flammte eine riesige Welle der Gewalt 2003 auf, als der Friedensprozess zwischen dem Nord- und Südsudan begann. Für Darfur gab es keinen Platz. Deshalb entschieden sich die Rebellengruppen "Gerechtigkeit und Gleichheit" (JEM) sowie die Sudanesische Befreiungsbewegung zum Waffengang. Die Regierung in Khartum schickte im Gegenzug Milizen und heuerte Söldner an. Seither sind mehr als 300.000 Menschen ums Leben gekommen. In Darfur und im Nachbarland Tschad leben mehr als 2,6 Millionen Flüchtlinge.



Große Wirkung auf die Region

Dabei hat es immer wieder Friedensprozesse sowie den Einsatz der internationalen Darfur-Mission gegeben. Doch die, so wird in der Gegend oft kritisiert, sei viel zu schwach und könne ihr Mandat nicht ausführen, weil sie Angst vor der Regierung in Khartum habe. Verhandlungen gestalten sich auch deshalb schwierig, weil die Rebellengruppen zersplittert und verfeindet sind. "Ich sehe derzeit keinen Lösungsansatz", meint Alfred Buss, Sudan-Koordinator für amnesty international.



Nun könnte das Referendum im Südsudan, dessen amtliches Endergebnis am 7. oder 14. Februar präsentiert werden soll, eine große Wirkung auf die Region haben. Bereits vor Beginn der historischen Wahl stand für viele fest, dass es sich lediglich um eine Pro-Forma-Abstimmung handelt. Nach zwei Jahrzehnten des Bürgerkriegs wollte niemand mehr ernsthaft bei der Zentralregierung in Khartum bleiben. "Deshalb wird Darfur sicher das Ziel einer gewissen Autonomie verfolgen. Doch inwieweit der Süden diese Bestrebungen unterstützt, muss abgewartet werden", so Buss.



Falls es auch Darfur zu einer eigenen Regionalregierung und einer möglichen Abspaltung schafft, bedeutete das eine weitere "Balkanisierung des Sudan". Schließlich wollten sich nicht nur der Süden und Darfur von der Regierung in Khartum loslösen. Verschärft werden könnte die ohnehin schon verfahrene Situation noch einmal, wenn Präsident Omar Al-Baschir seine Ankündigung tatsächlich wahr macht und den Norden in einen Staat mit Islamrecht, der Scharia, umwandelt. Damit hatte er vor dem Referendum immer wieder gedroht. Ein Grund, weshalb bislang schon mehr als 55.000 Menschen vom Norden in den Süden geflüchtet sind.