Martinszug und Festakt zu 600 Jahre Papstwahl in Konstanz

Kirchengeschichte am Bodensee

Die Kirchenspaltung überwunden, echte Reformen aber verpasst. Die einzige Papstwahl der Geschichte auf deutschem Boden war 1417 der Höhepunkt des Konstanzer Konzils. Zum runden Jubiläum rüstet sich die Stadt zum umfangreichen Festakt.

Autor/in:
Volker Hasenauer
Blick in das Konstanzer Münster / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Blick in das Konstanzer Münster / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

Nur durch das Wehen des Heiligen Geistes war dieses Wunder der einstimmigen Papstwahl möglich - da waren sich die zeitgenössischen Chronisten sicher. Die Unglück verheißenden Raben und Krähen verstreuten sich in alle Winde, stattdessen sangen Tausende Meisen, Buchfinken und Rotkehlchen vom Dach des Konstanzer Kaufhauses engelgleiche Lieder. Fromme Gesänge der Bittprozession hallten durch die Konstanzer Gassen.

Am 11.11.1417 betrat mit Papst Martin V. ein neuer Hoffnungsträger die kirchenpolitische Bühne. Die Christenheit hatte endlich einen neuen, unumstrittenen Kirchenführer - nach jahrzehntelanger Zerreißprobe mit drei sich gegenseitig zur Hölle wünschenden Päpsten und trotz verbittert geführter politischer Machtspiele. Das seit drei Jahren tagende Konstanzer Konzil, eine der größten kirchlichen Versammlungen des Mittelalters, hatte ihr wichtigstes Ziel erreicht: die Einheit der Kirche.

Rufe nach Reformen

Mehrmals stand das Konzil zuvor am Rand des Scheiterns. Zu unversöhnlich prallten die verschiedenen Positionen aufeinander. England und Frankreich führten Krieg. Der zu Konzilsbeginn nach Konstanz gereiste Gegenpapst Johannes XXIII. wurde abgesetzt und musste in Lumpen gehüllt aus der Bodenseestadt fliehen. Der Streit um Kirchenreformen eskalierte in der Verurteilung der böhmischen Reformtheologen Hieronymus von Prag und Jan Hus als Ketzer: Beide wurden zum Tode verurteilt und in Konstanz verbrannt.

Während es den Kardinälen, Kirchenfürsten, Theologen und vor allem König Sigismund gelang, das die Grundfesten des europäischen politischen Systems erschütternde Schisma zu überwinden, kam das zweite große Problem kaum auf die Konstanzer Tagesordnung: die lauten Rufe nach einer Reform der vielerorts prunksüchtigen, nur an Macht und Reichtum interessierten Kirche.

"Stattdessen wurden die Beratungen über Reformen und Erneuerungen auf das nächste Konzil vertagt. Immer wieder aufs Neue, bis es dann zu spät war", so der Freiburger Kirchenhistoriker Karl-Heinz Braun.

Gescheiterte Vision

Auch der Versuch, Konzilien als regelmäßig tagende Beratungs- und Entscheidungsgremien zu etablieren, verlief im Sande. Zunächst hielt sich Papst Martin V. an die in Konstanz beschlossene Vorgabe, spätestens alle zehn Jahre neue Konzilien einzuberufen. Er selbst blieb den beiden nächsten Treffen aber fern. In Basel scheiterte die Vision einer demokratisch diskutierenden Kirche. Der Tübinger Theologe Hans Küng spricht von einer "erstaunlich raschen Restauration des päpstlichen Absolutismus", der im Grunde das kirchliche Leben bis in die Gegenwart bestimme.

Erst im 20. Jahrhundert mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil keimte die Pflanze von demokratischer Mitbestimmung und synodalen Entscheidungsformen neu auf. Nicht wenige hoffen unter Papst Franziskus auf ein neues Reformkonzil.

Kurienkardinal Kurt Koch am Originalschauplatz

Am 11.11., dem Jahrestag der einzigen Papstwahl auf deutschem Boden, wird als Papstvertreter Kurienkardinal Kurt Koch am Konstanzer Originalschauplatz erwartet. In seiner Festrede hat er die Gelegenheit, Verbindungslinien vom gescheiterten Konziliarismus des 15. Jahrhunderts in die Gegenwart zu ziehen. Im Zentrum der Inszenierungen und Feiern steht aber die Erinnerung an die Papstwahl von 1417. Zur Uraufführung kommt ein Oratorium von Bernd Konrad, im Münster werden Bischöfe und Hunderte Christen zum Festgottesdienst erwartet. Konstanz macht für einen großen Martinsumzug mobil.

Und zuvor verleiht der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, den Konzilspreis 2017 für Toleranz an den Dortmunder Theologen Peter Klasvogt. Das lange Jubiläum am Bodensee, das parallel zur damaligen Sitzungsdauer von 2014-2018, in kreativer Weise erinnert, findet damit seinen Höhepunkt.

Der frisch gewählte Martin V. blieb noch bis Ostern 1418 am Bodensee. Er ließ sich feiern, machte Konstanz noch ein letztes Mal zum Nabel der europäischen christlichen Welt. Sein Ziel war dann aber Rom, wo er als erster Renaissancepapst der Ewigen Stadt zu neuer Blüte verhalf. In Martins Machtstreben und in dem seiner päpstlichen Nachfolger war kein Raum mehr für mitbestimmende und die kirchliche Agenda prägende Konzilien. Insofern verblasste der Reformauftrag aus Konstanz sehr schnell. Da half auch kein Wehen des Heiligen Geistes und wundersames Vogelgezwitscher von den Konstanzer Dächern.


Quelle:
KNA