Ministerpräsident bedauert "Missverständnisse" wegen Rede

Oettinger richtet sich an seine Kritiker

Nach der umstrittenen Trauerrede Günther Oettingers für den Ex-Ministerpräsidenten Hans Filbinger (beide CDU) reißt die Welle der Kritik nicht ab. Unterdessen hat sich der baden-württembergische Ministerpräsident in einem offenen Brief an seine Kritiker zu Wort gemeldet. Er bedauert die "Missverständnisse". Entschuldigen will er sich aber nicht.

 (DR)

Offener Brief an Kritiker
In einem offenen Brief an seine Kritiker versicherte Oettinger am Samstag, der Vorwurf, er habe durch seine Ausführungen "die schreckliche Nazidiktatur" in irgendeiner Weise relativieren wollen, entspreche nicht der Intention seiner Rede.

Soweit deswegen Missverstände entstanden seien, bedauere er "dies ausdrücklich". Der Ministerpräsident hatte in seiner Trauerrede für den früheren baden-württembergischen Regierungschef Hans Filbinger (CDU) gesagt, Filbinger sei kein Nationalsozialist, sondern ein Gegner des NS-Regimes gewesen. Er war daraufhin heftig attackiert worden.

"Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen"
Der Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, rief den CDU-Politiker am Samstag dazu auf, seine Äußerungen umgehend zurückzunehmen. "Das Mindeste ist, dass sich der Ministerpräsident bei den Opfern des Nationalsozialismus und den Hinterbliebenen der Soldaten, die unter Beteiligung Filbingers sterben mussten, entschuldigt", sagte Kramer.

Auch Grünen-Chefin Claudia Roth kritisierte, Oettinger habe versucht, Filbinger "von aller Verantwortung in der NS-Zeit reinzuwaschen". Das sei "Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen" gewesen. Oettinger hatte Filbinger, der zur Nazi-Zeit als Marinerichter an Todesurteilen beteiligt war, als Gegner des Nationalsozialismus bezeichnet.

Historiker: Entschuldigung reicht nicht
Für FDP-Generalsekretär Dirk Niebel muss die CDU insgesamt die Angelegenheit schnell klären. Er begrüßte in diesem Zusammenhang, dass die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel "klare Worte" im Hinblick auf die umstrittenen Ausführungen Oettingers gefunden habe. Merkel hatte Oettinger für seine Äußerungen getadelt.

Eine Entschuldigung reicht nach Ansicht des Historikers Schoeps allein aber nicht aus. Selbst nach den mahnenden Worten Merkels habe Oettinger nichts zurückgenommen, kritisierte er. "Da er offensichtlich kein Unrechtsbewusstsein in dieser Angelegenheit zu entwickeln in der Lage ist, wäre die CDU in Baden-Württemberg gut beraten, wenn sie Herrn Oettinger auffordert, den Hut zu nehmen - im Interesse des Landes und in seinem eigenen Interesse."

Irritation bei baden-württembergischer CDU
Derweil zeigte sich die baden-württembergische CDU irritiert über die Merkel-Kritik. Der Landesgruppenchef der Südwest-CDU im Bundestag, Georg Brunnhuber, sagte, die CDU-Chefin habe mit ihrer öffentlichen Kritik die Debatte erst angeheizt. "Mir wäre es lieber gewesen, sie hätte es beim Vier-Augen-Gespräch belassen."

Thierse mahnte eine Entschuldigung Oettingers an. "Es würde politisch-moralische Größe zeigen, wenn Oettinger einen Satz der Entschuldigung formulieren würde", sagte Thierse, der Oettingers Äußerungen als "peinlich bis dreist" bezeichnete. Für die 78-jährige Schwester des 1945 in Oslo als Fahnenflüchtiger hingerichteten Walter Gröger, Ursula Galke, kommt dagegen nur ein Rücktritt in Frage: "Ein Mensch von seiner Intelligenz sollte nicht so lügen. Wer so dumm daherredet, ist eines solchen Amtes nicht würdig. Es würde nicht schaden, wenn er geht."