Dreifaltigkeitssonntag , BWV 176

Bachkantate am 18.05.2008

Als die Dichterin Mariane von Ziegler den Text für die heutige Kantate zum Sonntag Trinitatis schrieb, fesselte sie besonders der Gedanke, dass Nikodemus, der doch ein Oberster unter den Juden war, sich nur bei Nacht zu Jesus wagt. Sie sieht darin einen allgemein menschlichen Zug. Und so formuliert Sie als Überschrift: "Es ist ein trotzig und verzagt Ding". Das Ding, von dem die Rede ist, ist das Herz des Menschen. Sie knüpft damit an die Worte des Propheten Jeremia an. Bei ihm heißt es im neunten Kapitel: "Arglistig ohnegleichen ist das Herz und unverbesserlich. Wer kann es ergründen?"

 (DR)

Bachs Eingangschor zu diesen Worten des Propheten Jeremia ist knapp und prägnant gehalten. Eine einzige Chorfuge füllt den Satz aus. Instrumentale Vor- und Nachspiele fehlen völlig. Das im Bass einsetzende Fugenthema charakterisiert die Gegensätze von denen der Text spricht: Nämlich trotzig und verzagt. Auf der einen Seite haben wir aufstrebende Dreiklangsbewegungen, auf der anderen Seite absinkende Chromatik. Vor allem der "Trotz" drückt sich in diesem Widerspruch aus.

Das folgende Rezitativ spielt auf die Zeit des alttestamentlichen Josua an. Anders als in jenen Tagen, als die Sonne zu Gibeon stillstand, bis die Heere der Amoriter besiegt waren, sehnt Nikodemus die Nacht herbei, damit er endlich zu Jesus gehen kann.

Einen fühlbaren Gegensatz zu dem Eingangssatz bildet die Arie "Dein sonst hell beliebter Schein". Bach setzt hier vor allem das Bild "des hellen Scheins" musikalisch um. Der Schein, in dem Jesus dem zaghaften Menschenherzen entgegentritt. Und so wird aus der Arie eine schwungvolle Gavotte, in der die gelösten Triolenfiguren selbst dann nicht aufhören, wenn die Sopranstimme auf das Wort "ruhn" in einen langen Halteton ausläuft.

Die beiden folgenden Sätze, Rezitativ und Arie stehen im Zeichen des Trostes, den der furchtsame Christ durch den Glauben an Jesus erlangt. Bach selbst hat diesem Gedankengang noch mehr Gewicht verliehen, indem er den Rezitativworten der Dichterin noch eine Paraphrase anfügt und zwar über einen Vers des Johannesevangeliums, in dem es heißt: "weil alle, die nur an dich glauben, nicht verloren werden". Auch diese zweite Arie hat etwas sehr tänzerisches.

Mit Lob und Dank für diese Verheißung leitet die Arie über zum Schlusschoral, der 8. Strophe des Liedes von Paul Gerhardt: "Was alle Weisheit in der Welt."

BWV 176: "Es ist ein trotzig und verzagt Ding".
Knabenchor Hannover, Collegium Vocale Gent, Leonhart Consort.
Leitung: Gustav Leonhart.

Quelle/ Literatur: Alfred Dürr: Die Kantaten Johann Sebastian Bachs. Bärenreiter, 1995