BWV 93: 5. Sonntag nach Trinitatis

Bachkantate am 22.06.2008

"Wer nur den lieben Gott lässt walten": Das ist der Titel der Kantate, die Johann Sebastian Bach für den heutigen 5. Sonntag nach Trinitatis komponiert hat. Und bereits an der Überschrift ist erkennbar: Es handelt sich um eine Choralkantate. Auch am 9. Juli 1724 - an diesem Sonntag war nämlich die Uraufführung - hat Bach also ein bekanntes Kirchenlied zur Grundlage seiner Kantate gemacht.

 (DR)

Und formal ist diese Kantate ein Musterbeispiel dafür, wie der Textdichter seine Choralvorlage zu behandeln pflegte. Von den sieben Strophen des von Georg Neumark stammenden Liedes hat er nur die erste, mittlere und letzte Strophe wörtlich beibehalten, die zweite und fünfte durch Einschübe freier Rezitationstexte erweitert und die dritte und sechste zu Arien umgedichtet.

Inhaltlich bezieht sich die Kantate auf das Evangelium des Sonntags. Petrus hat die ganze Nacht über nichts gefangen, wirft aber auf Jesu Rat noch einmal die Netze aus und fängt eine so große Menge Fische, dass das Netz zu reißen droht. Der Textdichter zieht daraus die Lehre, dass der Mensch sich auf Gottes Walten verlassen soll, wie es im Eingangschor heißt.

Der Dichter spielt auch im frei hinzugedichteten Rezitativtext des 5. Satzes unmittelbar auf den biblischen Bericht an: "Hat Petrus gleich die ganze Nacht mit leerer Arbeit zugebracht und nichts gefangen, auf Jesu Wort kann er noch einen Zug erlangen", so heißt es im Text. So hat der Dichter die Gedanken des Liedes und der Evangelienlesung unmittelbar miteinander verknüpft.

In diesem 5. Satz finden sich aber auch noch Anspielungen auf zwei weitere Bibelstellen. Zum einen auf das 2. Buch der Könige. Da wird von dem Prophet Elisa berichtet. Dieser lässt zu Zeiten der Inflation ein Gericht kochen, das zunächst ungenießbar bleibt und mit den Worten "Der Tod im Topf" zurückgewiesen wird, dann aber vom Propheten essbar gemacht wird. Und dann bezieht sich Bach noch auf das Gleichnis vom reichen Mann und vom armen Lazarus, das uns im Evangelium nach Lukas überliefert ist. So heißt es bei Bach: "Du darf nicht meinen, dass dieser Gott im Schoße sitzen, der täglich wie der reiche Mann in Lust und Freuden leben kann."

In der Mitte der Kantate und auch im Mittelpunkt steht der 4. Satz , das Duett von Sopran und Alt, zu dem Violinen und Viola  im Einklang die Melodie des Chorals vortragen. Bach hat den Satz später für Orgel umgearbeitet und in den sogenannten "Schüblerschen Chorälen" drucken lassen.

In den beiden Arien der Kantate kommt zum Ausdruck, mit welcher Freiheit Bach das Kirchenlied bearbeitet hat. So wendet die erste Arie den Anfang der Choralmelodie nach Dur und formt daraus einen menuettartigen, fröhlichen Satz, der zweifellos das kindliche Vertrauen ausdrückt, dass "unsres Gottes Gnadenwille" gewiss "seinen Kindern Hilfe senden" wird.

Die zweite Arie zeigt in ihrer anfänglichen Thematik kaum noch Anklänge an die Choralweise, übernimmt aber dafür die beiden Zeilen des Abgesangs in der Singstimme und das nur in leichter Verzierung.

Mit einem schlichten Choralsatz endet die Kantate.

BWV 93: Wer nur den lieben Gott lässt walten.
Wiener Sängerknaben, Concentus musicus Wien, Leitung: Nikolaus Harnoncourt.

Quelle/ Literatur: Alfred Dürr: Die Kantaten Johann Sebastian Bachs. Bärenreiter, 1995