BWV 92 Septuagesimae

Bachkantate am 20. Februar 2011

Die Kantate "Ich hab in Gottes Herz und Sinn" für den heutigen Sonntag Septuagesimae hat Johann Sebastian Bach für den 28. Januar 1725 komponiert, ist also in Bachs zweitem Jahr in Leipzig entstanden und zählt zu den sogenannten Choralkantaten. Denn: Textliche Grundlage ist das 12strophige Lied von Paul Gerhard und diese 12 Strophen sind wohl auch der Grund, dass die Kantate länger ist, als wir es von Bach gewohnt sind .

 (DR)

Aus den Lesungen des Sonntags sind keine speziellen Gedanken in den Text aufgenommen worden, sondern nur die allgemeine Mahnung, sich in das zu fügen, was Gott an Freuden und Leiden schickt.  Besonders eindrucksvoll ist der Eingangssatz gestaltet. Zwei Oboi d´Amore konzertieren im Wechsel mit den Streichern.



Der zweite Satz stellt sich vielgestaltig dar. Er beginnt mit einem Continuo-Ritornell, das im Verlaufe des Satzes in jeweils angepasster Form den Choralzeilen, die vom Baß in leicht verzierter Melodie vorgetragen werden, als Begleitung dient.  Der dritte Satz ist eine leidenschaftliche Tenor-Arie, die die Hinfälligkeit, die Vergänglichkeit der Welt zum Thema hat. Veranschaulicht wird dieser Zusammenbruch der Welt durch rasche Violinpassagen und energisch-punktierte Rhythmen.



Ganz im Gegensatz dazu steht der folgende fünfte Satz, in der die Liedstrophe vom Alt zeilenweise in Form einer Arie vorgetragen wird. Auffällig ist die Molltrübung auf den Worten "er weiß, wenn Leid uns, seinen Kindern, diene" und die chromatisch absinkende Linie in den Oboen am Ende der Schlusszeile auf die Worte "obs noch so traurig schiene".



Es folgt ein kurzes Rezitativ und dann die zweite Arie in dieser Kantate, ein Continuosatz, dessen Bewegtheit der ersten in nichts nachsteht. Doch verwendet Bach statt markanter Rhythmen jetzt laufende Sechzehntelpassagen, also schnelle Notenwerte, und ausgedehnte Verzierungen auf "Brausen", um das fruchtbringende "Ungestüm" zu charakterisieren.  



Es folgt ein zweiter Choralsatz und dann schließlich eine dritte Arie, der achte Satz. Mit Oboe d´amore und gezupfter Streicherbegleitung ohne Orgel ist diese Sopran-Arie instrumentiert, und ihre tänzerische schreitende Bewegung trägt dazu bei, sie von den beiden vorangegangenen Arien abzuheben. Herrschte dort leidenschaftliche Energie, so spüren wir hier eine heiter-friedvolle Abgeklärtheit, ausklingend in die Worte: "Amen: Vater, nimm mich an!"



Mit einem schlichten Choralsatz lässt Bach diese Kantate enden.



BWV 92 "Ich hab in Gottes Herz und Sinn".

Knabenchor Hannover, Collegium Vocale Gent, Leonhard-Consort,

Leitung: Gustav Leonhardt.



Quelle: Alfred Dürr: Die Kantaten von Johann Sebastian Bach. Bärenreiter 1995.