BWV 62, 3. Adventssonntag

Bachkantate am 12. Dezember 2010

In Leipzig gab es zur Zeit Johann Sebastian Bachs keine Kantatenmusik in der
Advents- und Fastenzeit. Dem Charakter der Zeit entsprechend. Und dennoch
müssen wir am heutigen 3. Adventssonntag nicht auf die Kantate verzichten, denn
Bach hat eine große Anzahl von Kantaten geschrieben, die sehr gut in die
Adventszeit passen. So auch die Kantate "Nun komm, der Heiden Heiland", BWV 62.

 (DR)

Bach orientiert sich mit dieser Kantate an dem gleichnamigen Lied von Martin Luther,

das er 1524 geschrieben. Luther wiederum greift auf den lateinischen Hymnus" Veni

redemptor gentium", den Ambrosius von Mailand im 4. Jahrhundert getextet hat.

Bach behält von den acht Strophen des Lutherliedes die erste und die letzte Strophe

im ursprünglichen Wortlaut bei: Die anderen Strophen werden so umgedichtet, dass

sie sich musikalisch in die Kantate einfügen.



Der prächtigste Satz der Kantate ist der Eingangssatz. Die Liedmelodie liegt im

Sopran und Bach stellt dem besinnlichen Ernst, mit dem im Choral das

Wunder der Menschwerdung Christi besungen wird, den konzertierenden Glanz der

Instrumentalthematik entgegen. Ohne Zweifel hat sich Bach hier nicht nur von dem

Lied, sondern auch von der Vorstellung vom feierlichen Einzug Jesu in Jerusalem

beim Komponieren leiten lassen:



Diese Grundhaltung setzt sich in der freudigen Beschwingtheit des zweiten Satzes

fort. Diese Tenor-Arie wird vor allem durch den sogenannten Siziliano-Rhythmus

geprägt. " Bewundert, 0 Menschen, dies große Geheimnis: Der höchste Beherrscher

erscheinet der Welt", so heißt es im Text.



Auf ein kurzes Rezitativ folgt die zweite Arie. Geschickt hatte schon Martin Luther in

seinem Lied auf wirkungsvolle Kontraste hingearbeitet. Ging es in der eben gehörten

ersten Arie um das Wunder der unbefleckten Keuschheit, geht es jetzt in der zweiten

Arie um des Heilands "Sieg im Fleisch".

Bach setzt diese Gegensätze fort, indem er die bei den Arien der Kantate genau in

diesem Kontrast anlegt. Die erste, die wir eben gehört haben, hat als Instrumente

Streicher und Oboen, die jetzt folgende Arie nur ein Continuo. Aber auch durch den

Takt und in der Wahl der musikalischen Themen setzt Bach Gegensätze. So ist das

Thema der ersten Arie zart beschwingt, das Thema der zweiten Arie kämpferisch

tumulthaft.



Ein nun wieder ganz innig-zartes, von Streichern begleitetes Duett-Rezitativ spricht

den Dank der Christenheit aus und führt in den Stimmungsbereich der ersten Arie

zurück. Ihr folgt als schlichter Choralsatz die Schlussstrophe des Lutherliedes.



BWV 62: "Nun komm, der Heiden Heiland".

Tölzer Knabenchor, Concentus musicus Wien,

Leitung: Nikolaus Harnoncourt.