BWV 54

Bachkantate am 17. Mai

"Widerstehe doch der Sünde": - so lautet der Titel der heutigen Kantate - ein relativ kurzes Werk: Die Aufführungsdauer beträgt weniger als eine Viertelstunde. Früher glaubte man, die Kantate sei ursprünglich mal länger gewesen und uns sei nur ein Teil überliefert. Dies ist aber nach heutigem Wissensstand nicht der Fall. Das Werk ist vielmehr im wahrsten Sinne des Wortes eine "Cantata", ein Singstück für eine einzige Stingstimme und nach dem einfachsten Schema dieser Gattung angelegt, indem zwei Arien um ein einziges Rezitativ gruppiert werden.

 (DR)

An Instrumenten werden nur Streicher und Continuo gefordert. Für Bach dürfte es eine große Herausforderung gewesen sein, innerhalb dieses bescheidenen Rahmens ein Spannungsfeld zu schaffen, das den Hörer fesselt. Anregen ließ sich der Thomaskantor offenbar durch den im Rezitativ dargelegten Doppelcharakter der Sünde, die "von außen eben wunderschön, von innen aber tödlich und ein Werk des Teufels genannt wird.

Die Eingangsarie malt die verlockende Schönheit der Sünde, während zugleich der Einsatz mit einem dissonanten Akkord zum Widerstand aufruft. Auch der Mittelteil der Arie ist voller harmonischer Kühnheiten, von denen besonders der zweimalige Trugschluss zur Schilderung des "Fluchs, der tödlich ist", seine Wirkung auf den Hörer nicht verfehlt.

Das Rezitativ, der zweite Satz, ist von den Harmonien äußert kühn. Auf die Worte "ein leerer Schatten und übertünchtes Grab" schafft Bach es durch die Auswahl der Harmonien, diese Leere hörbar zu machen.

Und der ariose Schluss dieser Arie erhält seinen Sinn durch die Textbezogenheit der raschen Continuoläufe, die das scharfe Schwert, das durch Leib und Seele fährt, abbildet.

In der zweiten Arie wird die trügerische Schönheit der Sünde als wahrhaft verwerflich, aber auch als besiegbar enthüllt. Die Sünde ist eine Gabe des Teufels. Aber so der Kantatendichter: Man ist ihr nicht hilflos ausgeliefert, sondern man kann ihr "mit rechter Andacht" widerstehen, so dass der Versucher die Flucht ergreift.:

Und mit diesem dritten Satz endet auch schon die Kantate. Inhaltlich bezieht sich diese auf die Lesung des Sonntags, auf den Brief an die Epheser, indem zu reinem Lebenswandel ermahnt wird, und nicht auf das Evangelium,  wie sonst bei Bach üblich.

BWV 54: "Widerstehe doch der Sünde".
Paul Esswood, Alt, Leonhard-Consort, Leitung: Gustav Leonhardt.

Quelle: Alfred Dürr: Die Kantaten von Johann Sebastian Bach. Bärenreiter 1995.