BWV 153 - Sonntag n. Neujahr

Bachkantate am 02. Januar 2011

Zur Zeit Johann Sebastian Bachs war am Sonntag nach Neujahr die Flucht nach Ägypten und der Kindermord das Thema des Evangeliums. Und so nimmt Johann Sebastian Bach dieses Thema zum Anlass, in seiner Kantate im allgemeinen Sinne von den Feinden des Christen zu reden. Wenn selbst Gottes eigener Sohn in jungen schon leiden muss, so darf der Christ getrost hoffen, dass auch sein Leiden einst enden und Gott ihm sein Himmelreich auftun wird. So lässt sich der Inhalt der Kantate "Schau, lieber Gott, wie meine Feind" zusammenfassen.

 (DR)

Bachs Komposition beginnt ungewöhnlicherweise nicht mit einem repräsentativen Chorsatz, sondern mit einem schlichten vierstimmigen Choral.



Der Grund dafür, dass Bach die Kantate nur mit einem einfachen Choral beginnen lässt, hat wohl keine theologischen Gründe, sondern wohl eher praktische Überlegungen zum Hintergrund. Denn  Bach hat die Kantate für das Jahr 1724 komponiert. Und in diesem Jahr 1724 fiel der 1. Januar auf einen Samstag, der Sonntag nach Neujahr war dann der Tag direkt danach. Und da der Thomanerchor sowieso schon durch die drei Weihnachtsfesttage fast pausenlos beschäftigt war, hielt Bach es wohl für ratsam, die Leistungsfähigkeit des Chores nicht zu überfordern.



So fallen dem Chor in der heutigen Kantate nur schlichte Choralsätze zu, und die restliche Besetzung wird auf drei Solisten und Streichorchester eingeschränkt. Die Rezitative werden durchweg nur vom Continuo begleitet.





Der dritte Satz ist als Arioso bezeichnet: Es handelt sich dabei um eines jener charakteristischen Bass-Soli auf Bibeltext, die von der Form her zwischen Rezitativ und Arie angesiedelt werden.



In den beiden Arien, dem sechsten und achten Satz dieser Kantate, spiegelt sich der inhaltliche Kontrast "irdisches Leiden - himmlischer Trost" am deutlichsten.  Die Vorstellung der von allen Seiten anstürmenden Feinde beherrscht die erste Arie, die sich durch rasche Violinpassagen und zuckende Einstimmigkeit des Streichersatzes, durch straffe, punktierte Rhythmen sowie durch kühne Harmonien auszeichnet:



Die zweite Arie gibt sich hingegen unverblümt als Menuett und schildert die ewigen Freuden der Seele im Himmel. So heißt es im Text: Soll ich meinen Lebenslauf unter Kreuz und Trübsal führen, hört es doch im Himmel auf".





Wie die Kantate begonnen hat, so endet sie auch: Mit einem einfachen vierstimmigen Choralsatz.



Kantate BWV 153: "Schau, lieber Gott, wie meine Feinde".
Tölzer Knabenchor, Concentus musicus Wien, Leitung: Nikolaus Harnoncourt.



Quelle: Alfred Dürr: Die Kantaten von Johann Sebastian Bach. Bärenreiter 1995.