BWV 107

7. So. n. T.

Uraufführung der Kantate für den heutigen Sonntag war der 23. Juli 1724, der 7. Sonntag nach Trinitatis. Titel: "Was willst du dich betrüben".

 (DR)

Johann Sebastian Bach legt seiner Komposition das Kirchenlied von Johann Heermann zugrunde. Die Verbindung zum Sonntagsevangelium ist dabei mehr als offensichtlich: Im Evangelium wird nämlich von der Speisung der Viertausend berichtet. Viertausend Menschen haben Hunger, Jesus hat Mitleid mit ihnen. So teilt er die wenigen Brote und den Fisch, spricht ein Dankgebet und am Ende werden nicht nur alle satt, sondern es bleibt auch noch jede Menge übrig. Den Schluss, den der Textdichter zieht: Auch wenn der Satan scheinbar die Oberhand gewinnt, hilft das Vertrauen auf Gott. So heißt es gleich im Eingangssatz: "Vertraue ihm allein, er wird gut alles machen und fördern deine Sachen, wie dirs wird selig sein."



Der Eingangschor entspricht der bei Bach am häufigsten auftretenden Form: Der vom Sopran vorgetragene Choral ist eingefügt in einen eigenthematischen Orchestersatz. Das einzige Rezitativ der Kantate, der 2. Satz, stellt den Komponisten vor eine besondere Aufgabe: Das Gleichmaß der Liedzeilen birgt die Gefahr, dass das Rezitativ langweilig wird. Bach wirkt dem entgegen, indem er den Satz mit 2 Oboen d´amore instrumentiert und die beiden Schlusszeilen ausdehnt, bzw. in ein Arioso münden lässt. Besonders die Worte "Freuden" und "Retten" bekommen so einen ganz besonderen Akzent.



Die Strophen 3 bis 6 sind als vier aufeinanderfolgende Arien vertont. Von ihrem Charakter her sind die Rahmensätze, also die erste und die letzte Arie, einander sehr ähnlich. Beide entfernen sich schon durch ihre Durtonart am weitesten von dem ursprünglichen Choral. Die Melodik ist liedhaft, beinahe tänzerisch.



Der vierte Satz, die zweite Arie, ist die einzige Arie, die nur vom Continuo begleitet wird. Der fünfte Satz, eine Sopran-Arie mit 2 Oboen, nähert sich von ihrer Thematik am stärksten der Liedweise. Schon gleich zu Beginn wird der Liedanfang erkennbar, ganz deutlich wahrnehmbar wird er schließlich beim Einsatz der Singstimme. Der Schlusschoral ist auffallend prächtig ausgestattet. Die Singstimme sind zwar einfach akkordisch gehalten, dabei aber in einen reichen Orchestersatz eingebettet, der auch in den Choralabschnitten seine Selbständigkeit bewahrt.



Was an dieser Kantate verwundert: Es ist die einzige dieses Jahrgangs, in der Bach einen Kirchenliedtext durchgehend wörtlich beibehält. Ansonsten wird häufig nur die erste und letzte Strophe wörtlich übernommen und die Mittelstrophen zu Arien und Rezitativen relativ frei umgetextet. Den Grund hierfür kennen wir nicht: Vielleicht hatte der Dichter keinen Text geliefert und Bach musste daher aus der Not heraus den bereits vorhandenen Text einfach übernehmen. Vielleicht fand er auch den umgedichteten Text nicht besonders gelungen, so dass er bei der Originalfassung blieb... Letztlich aber sind das alles nur Vermutungen.

BWV 107: "Was willst du dich betrüben". Knabenchor Hannover, Collegium Vocale Gent: Leitung Nikolaus Harnoncourt.



Quelle/ Literatur: Alfred Dürr: Die Kantaten Johann Sebastian Bachs. Bärenreiter, 1995