BWV 10: "Meine Seele erhebt den Herren"

Bachkantate am 13. Dezember 2009

Eigentlich dürfte auch heute gar keine Kantate zu hören sein. Denn: In den Wochen mit Bußzeitcharakter, also auch am heutigen 3. Adventssonntag und in der Fastenzeit, schwieg zu damaligen Zeiten die "hohe Musik". In vielen Gemeinden ist es ja bis heute guter Brauch, dass der Organist die Orgel an diesen Sonntagen deutlich leiser und weniger festlich registriert bzw. auf große Orgelvor- und Nachspiele verzichtet.

 (DR)

Johann Sebastian Bach hat also für diese Sonntage keine eigenen Kantaten komponiert, aber: Ein Werk, das sehr gut in die Adventszeit passt, ist die Kantate: "Meine Seele erhebt den Herren". Der Lobgesang der Maria, im Lukas-Evangelium im vierten Kapitel überliefert, hat ja von alters her seinen Platz in den Wochen vor Weihnachten. Maria antwortet auf die Botschaft des Engels, der ihr die Geburt des Sohnes ankündigt. Der Eingangsatz beginnt mit einer konzertanten Instrumentalsinfonie, nach 12 Takten setzt der Chor ein und trägt dann die Halbverse des Textes abschnittsweise vor:

Auch der zweite Satz ist konzertierend angelegt: Eine Sopran-Arie mit Streichersatz und hinzutretenden bzw. pausierenden Oboen. Auffallend sind die schnellen Notenwerte, die nicht nur in den Oberstimmen, sondern auch in der Begleitung, also im Continuo deutlich hervortreten. Besonders gestaltet auch der Mittelteil, die Textstelle: "Du siehest mich Elenden an."

Der dritte Satz, das Rezitativ  bildet die Brücke zur nächsten Bassarie, die davon spricht, was Gott mit denen macht, die nicht auf sein Wort hören. "Gewaltige stößt Gott vom Stuhl, die niedern pflegt Gott zu erhöhen."

Besonders kunstvoll, als Duett gestaltet, ist der folgende Satz: Alt und Tenor haben gegenüber dem begleitenden Continuo eine eigene Satzführung, die eigentliche Melodiestimme wird durch Oboen und Trompete vorgetragen.

Satz 6 beginnt als ganz einfaches Rezitiativ, erst ab der Stelle "Der Heiland ward geboren" kommen die Streicher hinzu, um die Worte hervorzuheben, die für dieses Fest von besonderer Bedeutung sind, und um die Erfüllung der Verheißung Gottes zu betonen.

Mit einem schlichten vierstimmigen Chorsatz vertont Bach die beiden Verse der Doxologie, mit denen die Kantate endet. Uraufführung war der 2. Juli 1724.

Rund 60 Kantaten musste Bach ja pro Jahr schreiben. Für jeden Sonntag eine - wie gesagt Fastenzeit und Adventszeit ausgenommen - dann nochmal für Fest - und Feiertage. Da war ordentlich was zu tun. Daher waren so Sonntag wie der heutige ganz willkommen. Konnte er sich doch in diesen Zeiten seinen anderen Kompositionen widmen: Der Orgelmusik, aber auch weltliche Werke. Für heutige Maßstäbe erscheint es sowieso unglaublich, welche Schaffenskraft Bach an den Tag legte.

BWV 10: "Meine Seele erhebt den Herren".
Chor des Kings College Cambridge, Leonhardt-Consort. Leitung Gustav Leonhardt.
Quelle: Alfred Dürr: Die Kantaten von Johann Sebastian Bach. Bärenreiter 1995.