9. So. n. T.

BWV 94

Die Kantate für den heutigen 9. Sonntag nach Trinitatis hat Johann Sebastian Bach in seinem zweiten Jahr in Leipzig komponiert. Also: 1724. Titel der Kantate: "Was frag ich nach der Welt". Die Grundlage bildet das 8 strophige Lied von Balthasar Kindermann. Das heißt auch bei dieser Kantate handelt es sich um eine sogenannte "Choralkantate". Ein unbekannter Dichter hat den Liedtext umgeformt, wobei allerdings die Strophen 1,3, 5, 7 im Wortlaut beibehalten wurden.

 (DR)

Der Zusammenhang des Textes mit den Lesungen des Sonntags ist relativ locker. Zwar warnt die Epistel vor Abgötterei, und im Evangelium betonen Worte wie "die Kinder dieser Welt sind klüger als die Kinder des Lichts" und vom "ungerechten Mammon" den Gegensatz "Welt - Jesus", der auch die Kantate beherrscht. Aber über diese allgemeine Gedanken gehen die Beziehungen nicht hinaus.



Auffällig bei dieser Kantate: Während Bach bisher die Querflöte nur sehr selten verwendet hat, kommt ihr bei dieser Kantate eine herausragende Stellung zu. Offenbar stand ihm jetzt ein fähiger Spieler zur Verfügung. Denn auch zu damaligen Zeiten war es schwer - selbst in Leipzig - gute Musiker zu bekommen. Und Bach hatte ja auch so seine Ansprüche.



So ist gleich im Eingangschor dem Orchester eine konzertierende Flöte gegenübergestellt, deren lebhafte Sechzehntelfiguration beinahe den Eindruck eines Flötenkonzerts hervorruft.



Im zweiten Satz, der Arie des Bass, setzt Bach den Text sehr bildlich in Musik um. Hinabstürzende Melodien malen die Flüchtigkeit der Welt, während Haltetöne die Beständigkeit des an Jesus  Glaubenden kennzeichnen. Daneben aber auch das Bestehen der Welt.



Im 3. Satz hat der Tenor die Melodiestimme. Eingeleitet und begleitet wird dieses Rezitativ von 2 Oboen und Continuo, so dass ein reizvoller Trio- bzw. Quartettsatz entsteht, der als Vorläufer des Satzes "Er ist auf Erden kommen arm" aus dem Weihnachts-Oratorium gelten kann. Von großer Schönheit ist die folgende Arie "Betörte Welt". Gehäuft treten Dissonanzen und musikalische Querstände auf, die den "Betrug" und den "falschen Schein der Welt", von dem der Text spricht, musikalisch hörbar machen.



Im 5. Satz dann: Die Melodiestimme im Bass. Dieser Satz entspricht in weiten Teilen dem 3. Satz. Doch wird die Singstimme diesmal nur vom Continuo begleitet. Die chromatischen Bewegungen, also das Voranschreiten der Begleitung in Halbtonschritten, soll den Kummer der verachteten Welt illustrieren:



Die beiden folgenden Arien, der 6. und der 7. Satz sind sanglicher und gelöster als die bisherigen Arien dieser Kantate.  Beide Sätze haben Tanzcharakter und wirken richtig fröhlich. Erst einmal scheint das ein Widerspruch zum Text, denn da heißt es zum Beispiel im 7. Satz: "Mir ekelt vor der Erden".  

Aber Bach hat hier nicht den Anspruch, den "Ekel" hörbar zu machen. Vielmehr wählt er, indem er die Arien im Stil weltlicher Tanzsätze komponiert, insgesamt den Begriff der "Welt" und setzt ihn musikalisch um.



Ein einfacher Chorsatz mit den beiden letzten Liedstrophen bildet den Schluss der Kantate.



BWV 94: "Was frag ich nach der Welt."

Tölzer Knabenchor, Concentus musicus Wien. Leitung: Nikolaus Harnoncourt.





Quelle/ Literatur: Alfred Dürr: Die Kantaten Johann Sebastian Bachs. Bärenreiter, 1995