5. So. n. Trinitatis - BWV 175

Bachkantate am 12. Juli 2009

"Er rufet seine Schafe mit Namen": So der Titel der Kantate, die Johann Sebastian Bach 1725 komponiert und erstmals aufgeführt hat. Der Text stammt von der zu damaligen Zeiten sehr bekannten und anerkannten Dichterin Marianne von Ziegler, die sich mit ihrem Text eng an die Evangelienlesung vom guten Hirten und seinen Schafen anschließt: Die Schafe kennen die Stimme des rechten Hirten und folgen ihm. Einem Dieb und Mörder hingegen, der den Schafstall nicht durch die Tür betritt und dessen Stimme sie nicht kennen, folgen sie nicht. Als Jesus von seinen Hörern nicht verstanden wird, erklärt er ihnen das Gleichnis, indem er sagt: "Ich bin die Tür zu den Schafen. Alle, die vor mir gekommen sind, die sind Diebe und Mörder."

 (DR)

Der Kantatentext gliedert sich in zwei Teile, nämlich die Sätze 1 bis 4 und 5 bis 7. Beide Teile werden durch ein wörtliches Zitat aus dem Evangelium eingeleitet. Der erste Teil schildert Jesus als den wahren Hirten, der zweite Teil nimmt die Erzählung vom Unverständnis der Hörer Jesu, die seine Worte nicht begreifen, auf und gibt ihnen eine für Bachs Zeit recht aktuelle Auslegung. Die „verblendete Vernunft" ist es, wie es im 5. Satz heißt, die den Menschen für Jesu Worte taub macht. Man merkt in diesem Satz ganz deutlich die Abwehrstellung des Luthertums gegen die beginnende Aufklärungszeit.

Bachs Vertonung wirkt vor allem durch die gewählte Instrumentation mit 3 Blockflöten, die zum Beispiel in den ersten beiden Sätzen das Bild vom „guten Hirten" musikalisch malen, sehr reizvoll.

Der 2. Satz, die Arie „Komm, leite mich", ist als Pastorale komponiert. Chromatische Seufzerfiguren machen die Sehnsucht nach dem Hirten, von dem der Text im Mittelteil der Arie handelt, hörbar. Auch in den andere Sätzen treten die Violinen, die ja sonst im Orchester meist die 1. Geige spielen, deutlich zurück und lassen anderen Instrumenten den Vorrang, wie zum Beispiel im 4. Satz, in dem ein Violoncello piccolo die freudige Erwartung, mit der der gläubige Christ der Ankunft seines Heilands und Hirten entgegensieht, musikalisch zum Ausdruck bringt.

Das anschließende Rezitativ lässt durch seinen ariosen Schluss die Mahnung, Jesu Worten doch die Ohren nicht zu verschließen, umso eindringlicher erscheinen.

Ganz drastisch wird dann dem Hörer dieselbe Mahnung im 6. Satz, der Bass-Arie, durch 2 Trompeten vorgeführt, die Jesus als Sieger über Teufel und Tod feiern.

Den Abschluss der Kantate bildet die 9. Strophe des Liedes „O Gottes Geist, mein Trost und Rat", das Johann Rist 1651 komponiert hat. Dadurch, dass auch in diesem Satz die Blockflöten deutlich hervortreten, knüpft Bach an den Anfang der Kantate an und lässt zugleich diese Kantate in prachtvoller Vollstimmigkeit ausklingen.

BWV 175: „Er rufet seine Schafe mit Namen"
Knabenchor Hannover, Collegium Vocale Gent
Leitung: Leonhardt-Consort
Quelle: Alfred Dürr: Die Kantaten von Johann Sebastian Bach. Bärenreiter 1995