22. Sonntag nach Trinitatis

BWV 115

Bei der von Bach für den heutigen 22. Sonntag nach Trinitatis komponierten Kantate handelt es sich um eine sogenannte Choralkantate. "Mache dich, mein Geist, bereit" so hat Bach diese Kantate überschrieben und Grundlage ist der Choral von Johann Freystein, einem Textdichter des 17. Jahrhunderts.

 (DR)

Deswegen der Begriff der "Choralkantate". Inhaltlich geht es in dem Choral um die Mahnung um Wachsamkeit und Gebet. Ein enger Bezug zum Evangelium des heutigen Sonntags ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Denn im Sonntagsevangelium ist nach evangelischer Leseordnung das Gleichnis vom unbarmherzigen Gläubiger zu hören. Der König, sein Herr, hat ihm seine Schuld vergeben, doch er selbst ist nicht bereit, anderen zu vergeben. Als nun der König davon hört, ist er mehr als ärgerlich darüber und lässt diesen ungerechten Gläubiger ins Gefängnis werfen. Bach greift jetzt in seiner Kantate nur einen Aspekt dieses Gleichnisses heraus. Nämlich: Die Forderung des Königs nach Abrechnung trifft den unbarmherzigen Gläubiger unvorbereitet. Und darum gilt es, bereit zu sein, wenn der Herr kommt und Abrechnung von uns verlangt. "Mache dich, mein Geist, bereit, wache, fleh und bete, dass dich nicht die böse Zeit unverhofft betrete", so heißt es im Eingangssatz der Kantate.



Der Aufbau der Kantate, die symmetrische Anordnung, ist ganz typisch für Bach. Den Rahmen bilden die erste und die letzte Strophe des Liedes von Johann Freystein, die Bach unverändert übernimmt, zweiter und dritter Satz, Arie und Rezitativ haben als Thema die Aufforderung zum Wachen, 4. und 5. Satz die Aufforderung zum Beten. Die Hauptaussage ganz zentral, ganz in der Mitte der Kantate im vierten Satz: "Bete aber auch dabei, mitten in dem Wachen".  



Mit ihrer ungewöhnlichen Instrumentation übt dieser Satz unter den Bachschen Arienkompositionen einen besonderen Reiz aus.

Nur sehr kurz kommt in dieser Kantate der tröstliche Zuspruch an die Gemeinde zur Geltung. Im Grunde erst im fünften Satz. "Wenn Feinde sich auf unseren Schaden freuen, so siegen wir in seiner Kraft: Indem sein Sohn, in dem wir beten, uns Mut und Kräfte schafft und will als Helfer zu uns treten". So heißt es im Text. Bach hebt besonders den letzten Satz hervor in dem er die Worte zum Arioso ausweitet.



Der abschließende schlichte Choralsatz lässt die Kantate enden und führt wieder zum Grundthema zurück: Wachen, Flehen, Beten.



Die Uraufführung dieser Kantate war der 5. November 1724.



BWV 115. Tölzer Knabenchor und Concentus musicus Wien

Leitung: Nicolaus Harnoncourt.



Quelle: Alfred Dürr: Die Kantaten von Johann Sebastian Bach. Bärenreiter 1995