1. Advent - BWV 147

Bachkantate am 30. November 2008

Mit dem 1. Adventssonntag beginnt die sogenannte "kantatenfreie" Zeit. Denn zur Zeit Johann Sebastian Bachs war es in der Advents- und der Fastenzeit üblich, dass keine Kirchenmusik in den Kirchen der Stadt aufgeführt wurde. Dem Charakter der Zeit entsprechend. Und so hat Bach auch für diese Sonntage nichts komponiert, sondern die Zeit genutzt, sich auf die großen Festtage musikalisch vorzubereiten. Statt Kantaten hat Bach dann zum Beispiel Oratorien oder in der Fastenzeit, die Passionen, geschrieben.

 (DR)

Dennoch müssen wir in den kommenden Wochen nicht auf die Kantate verzichten, denn zum einen gibt es Kantaten, die Bach schon vor seiner Zeit in Leipzig geschrieben hat, zum anderen gibt es Kantaten, die keinem bestimmten Sonntag zugeordnet sind und zum Teil ganz gut in die Adventszeit passen. Das ist zum Beispiel bei der heutigen Kantate der Fall: BWV 147: "Herz und Mund und Tat und Leben". Bach hat die Kantate für die Adventszeit des Jahres 1716 in Weimar komponiert, dann aber doch nicht in diesem Jahr aufgeführt, sondern erst am 2. Juli 1723 in Leipzig, am Fest "Mariae Heimsuchung". War der adventliche Text Francks ohnehin für ein Marienfest nicht ungeeignet, so wurde das Hauptthema der Kantate jetzt noch deutlicher herausgearbeitet: Der Lobgesang Mariens ist das dankbare Bekenntnis zu Gott. Die ganze Christenheit ist aufgefordert, dankbar in dieses Bekenntnis einzustimmen. "Herz und Mund und Tat und Leben muss von Christo Zeugnis geben", so heißt es im ersten Satz.

Der Textdichter fordert aber nicht nur auf, in den Lobgesang Mariens mit einzustimmen, sondern er ereifert sich auch, fast wie ein strenger Prediger, gegen die Verstockung der Verblendeten. Und er spielt auch auf den Lesungstext an, wenn z.B. Satz 4 berichtet, dass der Arm des Höchsten Gewaltige vom Stuhl stößt und die Elenden erhebt.

Auch im 8. Satz lehnt sich der Textdichter eng an das Evangelium an, wenn das Hüpfen des Johannes im Mutterleib erwähnt wird. Durch die Auswahl der Instrumente gelingt es Bach, dieses Rezitativ zu einem ganz besonderen Element innerhalb dieser Kantate zu machen. Die beiden Oboen verstärken die Aussage des Textes, der von den Wundern Gottes spricht. Und an der Stelle, an dem vom Hüpfen des Johannes die Rede ist, wird das ständige Motiv der Oboen zugunsten einer textausdeutenden Figur durchbrochen.

Die Kantate selbst besteht aus zwei Teilen: Teil 1 wurde vor der Predigt aufgeführt, Teil zwei danach. Bach lässt beide Teile jeweils mit einem Choralsatz enden. Am Ende des 1. Teils mit der 6. Strophe des Liedes "Jesu, meiner Seelen Wonne", das Martin Jahn 1661 geschrieben hat; am Ende des 2. Teils mit der 16. Strophe desselben Liedes. Und in diesen beiden Choralstrophen bekennt sich jetzt die versammelte Gemeinde, vertreten durch den Chor, zu Jesus als dem Schatz, den es zu bewahren gilt. Sehr bekannt ist die Melodie, mit der Bach den letzten Satz vertont:



Diese Melodie hat Bach dem Lied "Werde munter, mein Gemüte" entnommen, das später als ein Choral der Schüblerschen Sammlung populär wurde.
Insgesamt ist die Kantate besonders festlich gestaltet: Zu der üblichen Instrumentalbesetzung von 2 Oboen, Streichern und Continuo kommt noch die Trompete hinzu. Der Text stammt - zumindest in den Grundzügen - von Salomon Franck.

BWV 147: "Herz und Mund und Tat und Leben".
Tölzer Knabenchor, Concentus musicus Wien, Leitung: Nikolaus Harnoncourt.  

Quelle/ Literatur: Alfred Dürr: Die Kantaten Johann Sebastian Bachs. Bärenreiter, 1995