Stabwechsel bei der SPD - Chance für einen Neuanfang

Genossen in Aufruhr

Die SPD will mit Frank-Walter Steinmeier als Kanzlerkandidat und mit Franz Müntefering als erneutem Parteivorsitzenden in die Bundestagswahl 2009 ziehen. Damit stehen wieder zwei Männer der Agenda 2010 an der Spitze der Sozialdemokraten. Das Duo Steinmeier und Müntefering sei für die CDU eine neue Herausforderung, so die Einschätzung von Berlin Korrespondent Christoph Strack im domradio.

Autor/in:
Martin Roy
 (DR)

Parteichef Kurt Beck hatte am Sonntag auf einer SPD-Klausur überraschend seinen Rücktritt bekannt gegeben, da ihm "die Kraft fehle", sein Amt weiter auszuüben. Zuvor hatte er seinen Stellvertreter Steinmeier als Kanzlerkandidaten vorgeschlagen. Eine atemberaubende Karriere, die  vor drei Jahren niemand vorhergesehen habe, so Berlin Korrespondent Gerhard Hofmann im domrdio.

Kein Putsch
SPD-Vize Andrea Nahles ist dem Eindruck eines Putschs gegen den zurückgetretenen Parteichef Kurt Beck durch Außenminister Frank-Walter Steinmeier entgegengetreten. Sie könne bei Steinmeier «überhaupt kein Fehlverhalten feststellen», sagte Nahles am Montag im RBB-Inforadio. Gründe für Becks Rücktritt seien vielmehr die Debatte über den Umgang mit der Linkspartei sowie mangelnde Loyalität «einer ganzen Reihe von Leuten» gewesen.

Beck habe in den vergangenen Monaten «sehr viel auf den Buckel gekriegt». Dies hätte jeden anderen an der Spitze der Partei ebenfalls umgetrieben, sagte Nahles und mahnte: Die SPD müsse jetzt «nach vorne schauen». Die Mehrheit der Partei stehe hinter dem Hamburger Grundsatzprogramm. Zudem hätten die Spitzengremien der Partei am Wochenende mit der Ernennung Steinmeiers zum Kanzlerkandidaten die Grundlage gelegt, der CDU «das Fürchten zu lehren».

Beck kritisierte in einer schriftlichen Erklärung, der vereinbarte Ablauf bei der Entscheidung über die Kanzlerkandidatur sei durch «gezielte Falschinformationen» in Medien durchkreuzt worden. «Das war und ist darauf angelegt, dem Vorsitzenden keinen Handlungs- und Entscheidungsspielraum zu belassen.» Deshalb sei es ihm nicht mehr möglich, das Amt des Parteichefs mit der nötigen Autorität auszuüben. Seinen Nachfolgern wünschte er Glück.

Beck und Müntefering
Bis zuletzt soll Beck versucht haben, Müntefering an der Spitze zu verhindern: Er habe der engsten Führung Arbeitsminister Olaf Scholz als Nachfolger vorgeschlagen, berichtete die «Frankfurter Rundschau» (Montag) unter Berufung auf Teilnehmer. Dies sei mehrheitlich abgelehnt worden. Müntefering war von Steinmeier als Vorsitzender vorgeschlagen worden. Bei einer von Fraktionschef Peter Struck beantragten Abstimmung über Müntefering im Präsidium enthielten sich nach Angaben ihrer jeweiligen Sprecher Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti und ihr schleswig-holsteinischer Amtskollege Ralf Stegner. Bis zur Wahl Müntferings auf einem Sonderparteitag, will der Außenminister und Vizekanzler vorübergehend selbst das Amt des Parteivorsitzenden übernehmen.

Steinmeier sprach von einem «wirklichen Neuanfang» und einem «starken Zeichen» der Geschlossenheit«, um die andauernden Flügelkämpfe bei den Sozialdemokraten zu beenden. Zwar habe der Wahlkampf noch nicht begonnen, die SPD starte nun aber ihre Aufholjagd für die Bundestagswahl in einem Jahr. Er selbst wolle Kanzler werden »und nicht auf Platz spielen". Deutschland brauche für mehr soziale Gerechtigkeit eine starke SPD.

Flügelkämpfe
Ob sich die Flügelkämpfe wirklich unterdrücken lassen scheint aber fraglich. Mit Müntefering und Steinmeier stehen jetzt zwei Männer aus der Zeit Schröders an der Spitze der SPD. Beide haben die Reformen der Agenda 2010 auch nach dem sogenannten Linksruck der Partei weiter unterstützt. Kann dieses Duo leisten, woran Kurt Beck scheiterte und die Flügel der SPD einen?

Der linke Flügel der Sozialdemokratie, unter dem zurückgetreten Parteichef Kurt Beck wieder ins Zentrum der Macht gerückt, ist der Verlierer des Politdramas am Ufer des Schwielowsees. Während sich führende Linke, wie Andrea Nahles noch zurückhalten, formuliert Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel, was viele Anhänger an der Basis fürchten dürften: Entscheidend sei, "dass es kein Zurück zur Agendapolitik gibt".

Zukunft der SPD in Hessens Händen?
Der Bielefelder Sozialhistoriker Hans-Ulrich Wehler sieht das Heil der SPD allerdings allein im Zurückdrängen des linken Flügels. Die SPD habe nur dann Chancen auf ein «honoriges Ergebnis» bei der Bundestagswahl 2009, wenn es Steinmeier und Müntefering gelinge, die hessische SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti von einem «zweiten Kamikaze-Flug» abzuhalten. Sollte es in Hessen zu einer von der Linken tolerierten rot-grünen Regierung kommen, wäre die Glaubwürdigkeit von Steinmeier und Müntefering beschädigt, betonte Wehler. Die SPD sollte eine «harte Auseinandersetzung» mit der Partei Die Linke suchen, fügte der Bielefelder Historiker hinzu.

Ypsilanti will anihren Plänen zur Regierungsbildung in Hessen festhalten. Die SPD-Landesvorsitzende bekräftigte am Montag, der Rücktritt von Kurt Beck als SPD-Chef habe keine Auswirkungen auf die Regierungsbildung in Hessen.