Die wundersamen Kräfte des Krausen Ampfers

Omas Stopääs

Für diesen Beitrag übernimmt der Autor keinerlei Haftung. Aber er erzählt von der wundersamen Heilung des kranken Opas, weil die Oma damals dieses braune Unkraut zupfte und Tee draus kochte: "Stopääs", sagte sie.

Der Krause Ampfer, Rumex crispus / © St.Q. (DR)
Der Krause Ampfer, Rumex crispus / © St.Q. ( DR )

Es war in den 60er Jahren, unser hochbetagter Opa hatte lange Tage schon Durchfall, nichts half. Bis dann die Oma bei uns auf dem Brachland hinterm Haus dieses Kraut pflückte, den brauen Samen von den Rispen abstreifte und in eine Tüte füllte, um damit Tee anzusetzen.

Dieses Bild habe ich mir als kleiner Junge eingeprägt, auch dass sie das Kraut "Stopääs" nannte. Und ja: überliefert ist, dass der Opa gesund wurde.
Seitdem habe ich über die Jahrzehnte immer wieder die Pflanze sommertags an Wegesrändern gesichtet, den Samen mit der Hand gezupft, ohne zu wissen, was denn dieses Stopääs eigentlich ist. Heute steht für mich fest: es muss der Krause Ampfer sein.

Ungesunde Oxalsäure

Der Krause Ampfer, Rumex crispus, ist mit dem Sauerampfer verwandt. Seine Blätter sind aber nicht glatt sondern kraus. Im Sommer wachsen seine Blütenrispen fast einen Meter hoch, bis die kleinen dreikantigen Fruchtstände braun werden. Während die grünen Blätter des Sauerampfers noch heute als Gemüse beliebt sind, gilt der Krause Ampfer, der im Mittelalter durchaus auf dem Speiseplan stand, eher als giftig wegen der starken Oxalsäure.

Hatte meine Oma also doch nicht Recht? Oder anders, was hat sie dem Opa da Fieses verabreicht? Der Krause Ampfer liebt lehmigen Boden, kommt aber auch mit Brachland zurecht. Er gilt als Pionierpflanze, säumt Wegesränder und gedeiht prächtig auf saftigen Weiden. Aber genau dort ist er besonders verrufen, gilt als "Schadenserreger" –  jedenfalls erregt er die Gemüter der Landwirte.

Das Weidevieh kann sich am Krausen Ampfer vergiften. Der Ampfer lässt sich aber kaum von der Weide verbannen. Hartnäckig bohrt er sich mit seiner möhrenartigen Wurzel bis zu drei Meter tief in den Boden. Chemiekonzerne bieten dutzende Unkrautvernichtungsmittel an, Okölandwirte versuchen ihn ohne Gift zu beseitigen, begießen ihn stattdessen mühsam per Hand mit Heißwasser oder zerfräsen ihn maschinell mit dem "Ampferwiesel", ein Wurzelbohrgerät.

Volksmedizin empfahl Krausen Ampfer

Andererseits: schwach dosiert scheint der Krause Ampfer Gutes zu bewirken. In der Homöopathie wird er als "Rumex" verabreicht unter anderem bei Magen- und Darmkatarrhen.

War meine Oma also doch eine heilbringende Kräuterfrau? Tatsächlich: In der Volksheilkunde wurde der Krause Ampfer lange empfohlen. Und Achtung: die Wurzel gilt als abführend, der Samen dagegen als stopfend.
In einem Standardwerk der Biologischen Heilmittel von 1938 heißt es: "Das aus den Samen von Rumex crispus bereitete Infus" - gemeint ist ein Aufguss - "soll von der Volksmedizin gegen chronisches Ekzem, Diarrhöe und Dysenterie angewandt werden." Das also brachte meinem Opa die Heilung, vermutlich hatte er ja eine Dysenterie, eine bakterielle Darminfektion.

Gedöönz am Ääs

Bleibt noch zu klären, warum Oma den Samen des Krausen Ampfers "Stopääs" nannte. Hatte ich das Wort überhaupt richtig verstanden? Meine Oma war eine waschechte Sauerländerin und mit ihrem Mann redete sie meist nur platt. Die Sprachspuren führen also ins Land der Tausend Berge. Und richtig: Spricht der Sauerländer vom Ääs meint er das Gesäß.

"Du krichs dir gleich wat auffem Ääs", heißt es liebevoll in der Erziehung. Ein derbes Sprichwort sagt: "Keine Haare am Ääs, abba'n Kamm inne Tasche." Und hat jemand viel Stress, dann heißt es: "Der hatt dir ’n Gedöönz am Ääs." - Letzteres traf irgendwie auf den Opa zu. 

Stefan Quilitz

Ergänzende Hinweise nimmt der Autor gern entgegen!

Quellen:  zum Sauerländer Platt / Standardwerk der Biologischen Heilmittel von 1938