Telemann und sein Ruf als „Vielschreiber“

Kein Luftikus

Vor 250 Jahren starb hochgeachtet Georg Philip Telemann – der Freund von Johann Sebastian Bach war zu Lebzeiten berühmter als der Thomaskantor – im 19. Jahrhundert verkehrte sich dieses Ansehen ins Negative. Zu Unrecht.

Neue Glocken für den Hamburger Michel / © Daniel Reinhardt (dpa)
Neue Glocken für den Hamburger Michel / © Daniel Reinhardt ( dpa )

Georg Philipp Telemann war ein Komponist zur Zeit des Barock und mit Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel befreundet. Während Händel sein Wirken im Verlauf seiner Musiker-Karriere vor allem auf England konzentrierte, übernahm Telemann angesehen Kapellmeister-Stellen in Deutschland, in Frankfurt und vor allem Hamburg.

Der berühmteste Komponist in Deutschland

Zu seinen Lebzeiten war er die herausragende Musikerpersönlichkeit in Deutschland, er gab seine Werke im Selbstverlag heraus, gründete eine Musikzeitschrift und unternahm sehr erfolgreiche Reisen ins Ausland. Während Bach weitgehend auf Leipzig beschränkt blieb, wurden die Werke Telemanns in vielen Städten Deutschlands und auch Europas aufgeführt – als Opernkomponist feierte er große Erfolge. Heute unvorstellbar: Telemann war so dominant, dass Bach die Stelle in Leipzig als Thomaskantor nur bekam, weil Telemann absagte. Der Freundschaft zwischen den beiden tat das keinen Abbruch, Telemann wurde sogar der Patenonkel von Carl Philipp Emanuel Bach, dem berühmtesten der Bach-Söhne.

Zu lange gelebt für Wertschätzung?

Während die Wertschätzung von Johann Sebastian Bach spätestens durch Felix Mendelssohn Bartholdy im 19. Jahrhunderts stark zunahm, verhielt es sich bei Telemann genau umgekehrt. Nach seinem Tod geschah ein rapider Ansehensverlust, der rational nicht zu erklären ist – von der Qualität der Werke her gesehen sowieso nicht. Telemann war in allen musikalischen Gattungen aktiv, er arbeitete rasch und lebte lang – auch wenn es etwas zynisch klingt, vielleicht war das ein Grund für die spätere Ablehnung. Denn von ihm sind zahlreiche Werke erhalten, so dass Telemann später in den Ruf geriet, ein geistloser Vielschreiber gewesen zu sein.

Aktiv bis ins hohe Alter

Die hohe Opuszahl liegt aber eben auch daran, dass er für die damalige Zeit unfassbare 86 Jahre alt wurde und bis ins hohe Alter arbeitsfähig blieb.  Er schrieb nicht so polyphon komplex wie Bach – ihm lag viel an einer schönen Melodieführung, sehr tonmalerisch beschrieb er Naturphänomene, die Harmonik setzte Telemann sehr innovativ ein. Mit über 3600 verzeichneten Werken gilt er als einer der produktivsten Komponisten der Musikgeschichte. Zum Vergleich: der ebenfalls fleißige, aber früh verstorbene Wolfgang Amadeus Mozart kommt auf gerade mal 626 verzeichnete Werke – doch hätte Mozart länger gelebt, wäre er in wohl ähnlich hohe Opus-Dimensionen geraten. So ungerecht war dann das Urteil im 19. Jahrhundert: Mozart war das jungverstorben Genie, an dessen Qualität nie zu zweifeln gewagt wurde. Telemann hingegen galt als „Luftikus“, der immer nur das Gleiche schrieb. Eine oberflächliche Beurteilung, wie sich bei näherer Betrachtung zeigt.

In „Musica“ erklingen ausgewählte Werke aus dem Bereich Kammermusik und Kantaten - vor einer Woche am 25.06.jährte sich der Todestag Telemanns zum 250. Mal.