Morgenimpuls von Schwester Katharina

Gott zeigt seine Macht, indem er die Menschen liebt!

In ihrem Morgenimpuls reflektiert Schwester Katharina, was die Essenz des Christseins ist. Ein Gespräch mit zwei ihrer Mitschwestern hat sie tief berührt.

Hände halten eine Herz-Figur / © SewCream (shutterstock)
Hände halten eine Herz-Figur / © SewCream ( shutterstock )

Mehrmals in der Woche besuche ich unsere alten Schwestern im Altenheim und ich bin immer wieder begeistert, wie intensiv oft unsere Gespräche sind. Eine unserer dementen Schwestern ist mir dieser Tage fast entgegengerannt und ist mir um den Hals gefallen, als ich gekommen bin. Also habe ich sie auf meinen Besuchstouren durch das Haus und durch die Zimmer mitgenommen. Sie kann kaum noch sprechen, aber ihre emotionalen Bewegungen sind ja ungebrochen da und entsprechen auch dem, wie ich sie kenne.

Mit einer unserer hochalten Schwestern kam ich also ins Gespräch über die Schwächen unserer Kirche und die vielen Missstände in den Leitungspositionen. Die vielfältigen Missbrauchsvergehen und den schlechten Umgang mit den Opfern. Die Mitschwester hat sich sehr ereifert und erzählt, dass sie schon manchmal betet, der Herr möge doch endlich mal seine ganze Macht und Herrlichkeit zeigen und damit beweisen, dass er der Daseiende ist und der alles Böse, das geschieht, nicht ungestraft geschehen lässt. "Ich würde an Gottes Stelle mal so richtig auf den Tisch hauen, damit es endlich alle begreifen", sagt sie. Ich habe ihr zugehört und zunächst nichts gesagt und dann aber kam der Satz, den ich von einer so alten Schwester nicht erwartet hätte. Sie sagte: "Aber weißt du, Gott hat den Menschen bei seiner Erschaffung einen freien Willen gegeben, und dieser freie Wille ist diesem Gott so wichtig, dass er niemanden mit Gewalt zwingen wird, anders zu handeln. Seine einzige Möglichkeit der Einflussnahme ist, ihm zu zeigen, dass er ihn liebt." Ich war sehr bewegt und berührt und wir haben sehr lange gesessen und geschwiegen und nachgedacht.

Ich hatte ehrlich gesagt die demente Schwester, die gemütlich im Sessel saß, fast vergessen. Als ihr das Schweigen wahrscheinlich zu lange gedauert hat, hat sie den Kopf gehoben, uns angestrahlt und gesagt. "Genau, lieb haben". Wir haben gelacht. Und dann ist mir erst bewusst geworden, was die Konsequenz dieser zwei Worte war. Wenn schon Gott, der Allmächtige, seine Macht nur zeigen kann, indem er die Menschen liebt mit all ihren guten und bösen Seiten, so können auch wir, die wir uns Christen nennen, gar nicht anders als nur lieb haben. Das ist nicht so easy, wie es klingt und nicht unbedingt leicht, wenn man um die Schwächen und Bösartigkeiten weiß. Aber es gibt keine andere Möglichkeit. Nur lieb haben.


Quelle:
DR