Unicef: 2016 brutalstes Jahr für syrische Kinder

Über 650 Kinder getötet

Zum sechsten Jahrestag des Syrien-Kriegs hat das Leid der Kinder laut Unicef ein dramatisches Ausmaß erreicht. 2016 sei das bislang brutalste Jahr des Konflikts gewesen, erklärte das Kinderhilfswerk.

Junge in einem Krankenhaus in Douma, Syrien / © Mohammed Badra (dpa)
Junge in einem Krankenhaus in Douma, Syrien / © Mohammed Badra ( dpa )

Das Leiden der Kinder in Syrien hat 2016 nach einem Bericht des UN-Kinderhilfswerks Unicef ein nie dagewesenes Ausmaß erreicht. 652 Kinder seien in dem Bürgerkrieg im vergangenen Jahr umgekommen, 20 Prozent mehr als im Jahr davor, berichtete die Organisation am Montag. 255 dieser Kinder seien in oder in der Nähe ihrer Schule ums Leben gekommen. "Es ist davon auszugehen, dass diese Zahlen nur die Spitze eines Eisbergs darstellen", betonte Unicef. Mindestens 2,8 Millionen Minderjährige lebten in Gebieten, die schwer zu erreichen seien.

Mindestens 850 Kinder seien zum Kriegsdienst herangezogen worden, teils an der Front, als Gefangenenaufseher oder Selbstmordattentäter. "Kinder und Jugendliche werden immer häufiger nicht nur für unterstützende Tätigkeiten wie Träger oder Wachtposten, sondern auch direkt als Kämpfer an der Front eingesetzt", erklärte Unicef. Teils würden sie auch für Tötungen, Anschläge oder als Gefängniswärter missbraucht. "Das Ausmaß des Leidens ist beispiellos", sagte Geert Cappelaere, Unicef-Direktor in der Region. "Jedes der Kinder ist fürs Leben gezeichnet und das hat furchtbare Folgen für ihre künftige Gesundheit und ihr Wohlergehen."

Zwang zur Heirat

Im Überlebenskampf müssten Kinder in mehr als Zweidritteln der Familien mitarbeiten, um den Familienunterhalt zu sichern. Manchmal sähen Eltern sich gezwungen, ihre Kinder noch im Kindesalter zu verheiraten.

Womöglich lägen die Zahlen noch höher. Viele Regionen seien nicht zugänglich und verlässliche Informationen nicht zu bekommen. Viele Kinder seien auch an Krankheiten gestorben, die ohne den Bürgerkrieg hätten behandelt werden können.

Über zwei Millionen Kinder in Lagern

Nach Angaben von Unicef sind inzwischen sechs Millionen Kinder auf humanitäre Hilfe angewiesen, Millionen wurden mit ihren Familien vertrieben. 2,3 Millionen syrische Kinder lebten in Flüchtlingslagern in der Türkei, im Libanon, in Jordanien, Ägypten und im Irak.

Das Hilfswerk Care fordert einen besseren Zugang zu Menschen in belagerten und umkämpften Gebieten. Weiterhin harrten rund 650.000 Syrer, unter ihnen rund 300.000 Kinder, in belagerten Gebieten aus, erklärte das Bonner Hilfswerk am Montag. Insgesamt seien fast fünf Millionen Menschen aufgrund von Kämpfen, der schwierigen Sicherheitslage und Blockaden nur extrem schwer zu erreichen.

Viele traumatisiert

Mindestens 30 bis 40 Prozent der Minderjährigen seien schwerwiegend traumatisiert, sagte die Kinderrechtsexpertin von "terre des hommes", Barbara Küppers, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Lebenswichtige Infrastruktur für Kinder wie Krankenhäuser und Schulen werde immer mehr zerstört, sagte Küppers. 75 Prozent der Kinder arbeiteten und hätten zum Teil seit Jahren keine Schule besucht. Zudem seien Mädchen und Jungen zunehmend sexueller Gewalt ausgesetzt. Auch nutzten die Kriegsparteien die Not aus und kauften Eltern ihre Kinder für den Einsatz als Kämpfer ab.

Die Diakonie Katastrophenhilfe prangerte die Missachtung des humanitären Völkerrechts durch alle Kriegsparteien an: "Das Kriegsverhalten der anderen Kriegsparteien ist keinen Deut menschlicher als das des sogenannten IS", sagte die Präsidentin Cornelia Füllkrug-Weitzel. "Es wird teilweise nicht einmal mehr versucht, die Zivilbevölkerung oder Einrichtungen wie Krankenhäuser zu schützen." Eine neue, bislang ungekannte Dimension sei erreicht, betonte Füllkrug-Weitzel.

Die Hilfsorganisation Care beklagte, verweigerte Genehmigungen für Hilfstransporte auf lokaler und nationaler Ebene und nicht eingehaltene Feuerpausen machten eine ausreichende und effiziente Hilfe unmöglich. "Die Belagerung von Zivilisten und das Aushungern unschuldiger Kinder darf nicht länger als Kriegsmittel eingesetzt werden", sagte Karl-Otto Zentel, Generalsekretär von Care Deutschland-Luxemburg. "Wir fordern vollständigen und dauerhaften Zugang für humanitäre Hilfe in Syrien." Humanitärer Zugang zur Bevölkerung sei auch ein Grundpfeiler für eine politische Lösung des Konflikts und einen dauerhaften Frieden in Syrien.

Effiziente Hilfe unmöglich

Care beklagte, verweigerte Genehmigungen für Hilfstransporte auf lokaler und nationaler Ebene und nicht eingehaltene Feuerpausen machten eine ausreichende und effiziente Hilfe unmöglich. "Die Belagerung von Zivilisten und das Aushungern unschuldiger Kinder darf nicht länger als Kriegsmittel eingesetzt werden", betonte Karl-Otto Zentel, Generalsekretär von Care Deutschland-Luxemburg. "Wir fordern vollständigen und dauerhaften Zugang für humanitäre Hilfe in Syrien." Humanitärer Zugang zur Bevölkerung sei auch ein Grundpfeiler für eine politische Lösung des Konflikts und einen dauerhaften Frieden in Syrien.

Nach Angaben von Care benötigen in Syrien 13,5 Millionen Menschen humanitäre Hilfe, etwa die Hälfte von ihnen sind Kinder. In diesem Jahr werden sieben Millionen Syrer auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen und zwei Millionen vom Hunger bedroht sein. Seit Beginn des Konflikts wurden nach Care-Angaben fast 150 Helfer in Syrien getötet.


Quelle:
dpa , epd