Der «Tag der Offenen Moschee» im Zeichen der Sarrazin-Debatte

Viel Gesprächsbedarf

Mehr als 500 Moscheen in ganz Deutschland laden am Sonntag zum «Tag der offenen Moschee» ein. Dass die Aktion, die in diesem Jahr zum 14. Mal stattfindet, jeweils am «Tag der Deutschen Einheit» veranstaltet wird, ist kein Zufall. In diesem Jahr steht der Tag im Zeichen der Sarrazin-Debatte.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

"Auch Muslime und Moscheen sind ein Teil der Deutschen Einheit", erklärt Erol Pürlü, der seit Freitag (01.10.2010) neuer Sprecher des Koordinationsrates der Muslime in Deutschland (KRM) ist. Der Tag steht in diesem Jahr unter dem Motto "Der Koran - 1.400 Jahre, aktuell und mitten im Leben". Denn im Jahr 610 begann nach islamischem Glauben die Offenbarung der heiligen Schrift an Mohammed. Allerdings dürfte der Gesprächsbedarf in den Zeiten der Sarrazin-Debatte weit darüber hinausgehen.



"Die meisten, die über den Islam urteilen, kennen kaum einen gläubigen Muslim", kritisiert der Vorsitzende des Islamrats, Ali Kizilkaya, im Vorfeld. "Man spricht über uns, aber zu wenig mit uns." Die Gesellschaft müsse sich entscheiden, wie sie mit Ausgrenzungstendenzen und Diskriminierung umgehe. Auch Pürlü spricht von einer Schieflage der Debatte. Es werde übersehen, dass die Muslime in Deutschland seit einem halben Jahrhundert für das Gemeinwohl der Gesellschaft ihren Beitrag leisteten.



Vorbehalte und Skepsis

Wie groß die Vorbehalte gegenüber Muslimen sind, lässt sich aus einer gerade veröffentlichten Allensbach-Umfrage ablesen. Danach empfinden mehr als die Hälfte aller Bundesbürger muslimische Migranten als Belastung für Deutschland. 55 Prozent sagten, dass diese Einwanderergruppe "sozial und finanziell wesentlich mehr gekostet als wirtschaftlich gebracht hat".



Lediglich ein Fünftel der Befragten zieht laut Umfrage eine positive Bilanz. Besonders groß ist die Skepsis in Ostdeutschland: Dort fällen 74 Prozent ein negatives Urteil über muslimische Migranten, im Westen sind es 50 Prozent. Darüber hinaus glaubt mehr als ein Drittel der Bevölkerung, dass Deutschland durch die Einwanderer "auf natürlichem Wege durchschnittlich dümmer" wird. Die Migranten seien im Schnitt schlechter gebildet und bekämen mehr Kinder, meinen sie und unterstützen damit die Thesen des Ex-Bundesbankers Thilo Sarrazin.



"Selbstverständlicher Teil der Gesellschaft"

Für den Dachverband der Muslimverbände sind das "unzivilisierte Thesen von Menschen, die nicht mit uns das Gespräch suchen". Die Muslime wollten darauf eine "zivilisierte Antwort" geben, hieß es in dieser Woche. Kizilkaya verwies dabei insbesondere auf die "Bemühungen der muslimischen Gemeinden für den interreligiösen sowie interkulturellen Dialog". Gerade die Moscheen, die neben religiösen Zwecken auch als gesellschaftliche Zentren dienten, könnten den Dialog fördern.



Auch nach Darstellung des Berliner Integrationsbeauftragten Günter Piening kann der Tag der Offenen Moschee dazu beitragen, das Vertrauen zwischen Muslimen und Nichtmuslimen zu stärken und gegenseitige Vorurteile abzubauen. "Gerade in einer Einwanderungsgesellschaft ist es für Religionsgemeinschaften wichtig und notwendig, sich der öffentlichen Diskussion zu stellen", erklärte er. Das sei nicht zuletzt auch deshalb notwendig, um pauschalen Unterstellungen zu begegnen, dass es "manche Glaubensgemeinschaften in der Praxis nicht so genau nehmen mit Gleichberechtigung und demokratischen Grundrechten". Piening lobte die Muslime: "Der Islam ist längst und völlig unaufgeregt ein selbstverständlicher Teil der Gesellschaft, und auch Moscheen und islamisches Gemeindeleben sind in den Kiezen verwurzelt."