Um die Antike ist ein Kulturkampf ausgebrochen

Bunte Statuen und Weiße Suprematisten

Marmor-Statuen sind weiß - eine gängige Vorstellung. Sie trifft aber nicht ganz zu, denn viele Skulpturen waren ursprünglich bunt bemalt. Diese Erkenntnis überrascht viele und ärgert manche.

Autor/in:
Christiane Laudage
Marmor-Skulpturen waren ursprünglich bunt bemalt (shutterstock)
Marmor-Skulpturen waren ursprünglich bunt bemalt / ( shutterstock )

So hässlich wie ein Marmorbild mit ausgewischten Farben - das war für den antiken Schriftsteller Euripides eine Horrorvorstellung. Statuen hatten bunt zu sein und basta. Wie bunt, davon können sich Kunstfreunde demnächst im Frankfurter Liebieghaus eine Vorstellung machen. Die Ausstellung "Bunte Götter" präsentiert ab 30. Januar etwa 100 Objekte rund um die Farbigkeit griechischer und römischer Skulpturen, darunter 60 Rekonstruktionen, 22 Grafiken, Fotos und einige Originalskulpturen.

Wie bunt war die Antike?

Vinzenz Brinkmann, Archäologe und Leiter der Antikensammlung der Liebieghaus-Skulpturensammlung, hat gemeinsam mit seiner Frau Ulrike Koch-Brinkmann zahlreiche Rekonstruktionen der ehemaligen Bemalung erstellt. In der Schau "Bunte Götter" wurden sie erstmals im Jahr 2003 in der Münchner Glyptothek ausgestellt. Während Wissenschaftlern durchaus bekannt ist, wie bunt der antike Götterhimmel war, ist dieses Wissen bei einigen Gruppen vielmehr unerwünscht.

In den USA ist ein Kulturkampf über die Frage ausgebrochen, wie bunt die Antike war. Der Altphilologe Jonas Grethlein von der Universität Heidelberg wies im vergangenen Dezember in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" darauf hin, dass in den Vereinigten Staaten "ein weites Spektrum rechter Intellektueller Anspruch auf das Erbe der Antike" erhebe. Vor allem weiße Suprematisten würden die antike Literatur und Philosophie als Beleg für eine Überlegenheit "weißer Kultur" heranziehen. Und weiß heißt: so weiß wie die Marmorstatuen in den Museen.

Aufmerksamkeit durch einen Blog und Soziale Medien

Nicht nur Philosophie und Literatur, auch die Bemalung der antiken Statuen können Empörung in entsprechenden Ecken auslösen. Das musste Sarah Bond, Professorin für alte Sprachen am Institut für Alte Geschichte an der Universität Iowa, feststellen. Um die Antike für ein breites Publikum zugänglich zu machen, schreibt sie Blog-Beiträge und engagiert sich auf Twitter.

Als sie vor zwei Jahren mehrere Beiträge veröffentlichte, in denen sie erklärte, warum antike Marmorstatuen ursprünglich bunt bemalt waren, erntete sie erst Spott von konservativen Webseiten. Dann kam der Shitstorm in den Sozialen Medien. Von ihren Aussagen fühlten sich alle bedroht, die ihr weißes Geschichtsbild angegriffen sahen. Sie sahen und sehen die Tradition einer weißen westlichen Kultur bis hin zurück zur Antike in Gefahr.

Der Grund, warum die Statuen heute keine Farbe mehr aufweisen, bestenfalls noch Reste, ist indes banal: Weil die Statuen entweder im Wasser oder aber in der Erde gelegen hatten, löste sich die Farbe - und es blieb nur der weiße Marmor. Spätestens seit der Archäologe und Kunsthistoriker Johann Joachim Winckelmann (1717-1768) die weißen Marmorstatuen der römischen und griechischen Antike zum höchstes Ideal der Schönheit erklärte, sah man über die Farbspuren einfach hinweg. So entstand ein Bild von einer weißen antiken Gesellschaft, das mit der Realität nur wenig zu tun hat.

Schmelztiegel unterschiedlicher Herkünfte

Die Statuen der griechischen und römischen Antike waren also so bunt wie die Bevölkerung des römischen Stadtstaates von der Steinzeit bis zum Mittelalter. Das, was Wissenschaftler aus historischen Quellen wussten, unterstützt seit kurzem auch eine Genanalyse: Eine im November 2019 veröffentlichte Studie zeigt, dass die Stadt - wenig verwunderlich - ein Schmelztiegel für Menschen unterschiedlichster Herkunft war. Forscher von der US-amerikanischen Stanford University, der Universität Wien und der Sapienza Universität in Rom stellten fest, dass sich mit der Expansion des Römischen Reiches im Mittelmeerraum Menschen aus dem Nahen Osten, Nordafrika und Europa in der Stadt am Tiber niederließen.

Jonathan Pritchard, einer der Autoren der Studie, betont, dass die antike Welt ständig in Bewegung war - sowohl was die Kultur anging als auch die Migration. "Diese Studie zeigt, wie dynamisch die Vergangenheit war. Menschen von überall her kamen nach Rom, und das korrespondiert mit den historischen und politischen Ereignissen", stellte Hannah Moots fest, ebenfalls als Autorin an der Studie beteiligt. Die antike Welt war also keineswegs uniform, sondern bunt wie das Leben.


Werkzeug der Steinmetze - Schlageisen oder Meißel / © Opitz (KNA)
Werkzeug der Steinmetze - Schlageisen oder Meißel / © Opitz ( KNA )

Eine Frau erklimmt kniend und betend die Scala santa  / © Cristian Gennari (KNA)
Eine Frau erklimmt kniend und betend die Scala santa / © Cristian Gennari ( KNA )

Aachener Dom / © Henning Kaiser (dpa)
Aachener Dom / © Henning Kaiser ( dpa )
Quelle:
KNA