Sonderermittler gegen den Hass im Netz

"Das klappt nur als Teamwork"

Hass, Volksverhetzung und Gewaltverherrlichung – all das findet man auch im Internet. Der Umgangston ist nicht nur rau, sondern auch strafrechtlich relevant. Wie kann auch das Netz ein besserer Ort werden? 

Hass im Netz (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Sie ermitteln gegen Menschen, die Hass und Hetze im Internet verbreiten. Sie selbst wurden in einem Artikel der Welt als "Geisterjäger" bezeichnet. Ist das ein passender Begriff?

Dr. Christoph​ Hebbecker (Kölner Staatsanwalt): Nun sind wir leider nicht immer in der Lage, Einfluss auf die Wahl der Überschrift zu nehmen, aber wenn es denn der Sache dienlich ist, würde ich mich auch als Geisterjäger bezeichnen lassen. So völlig an den Haaren herbeigezogen ist das sicherlich nicht. Der Eindruck, es seien Geister kann sicherlich manchmal entstehen, nicht zuletzt auch deswegen, weil im Netz viele Leute anonym unterwegs sind.

Viele geben sich Mühe, ihre wahre Identität zu verbergen und nutzen diese teilweise auch nur scheinbar gegebene Anonymisierung, um Kommentare zu verfassen, die mitunter deutlich die Grenze dessen, was wir strafrechtlich nicht beanstanden können, unterschreiten. Teilweise posten sie also ganz klar strafrechtlich Relevantes und begehen damit eben im Internet Straftaten.

DOMRADIO.DE: Gibt es einen Fall, der Ihnen in Erinnerung geblieben ist?

Hebbecker: Was mich tatsächlich schockt oder was ich so auch nicht erwartet hätte, sind Fälle, die wir immer wieder angezeigt bekommen, in denen es auch um Holocaustleugnung geht. Das ist ein Thema, was immer wieder auftaucht und in unterschiedlicher Intensität und Breite vorgebracht wird. Die Fälle schocken mich und meine Kollegin doch tatsächlich.

DOMRADIO.DE: Bei einer Holocaust-Leugnung ist es vermutlich eine eindeutige Angelegenheit. Wo endet denn die Meinungsäußerung und wo beginnt die Volksverhetzung? Gibt es da klare Kriterien?

Hebbecker: Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den Sie ansprechen. Es gibt im Prinzip klare Gesetze. Man muss zunächst feststellen, dass es keinen Straftatbestand "Hass" gibt. Es gibt auch keinen Straftatbestand "Hetze" oder einen Straftatbestand "Hate Speech". Was wir klassisch unter "Hate Speech" oder "Hassrede" fassen, versuchen wir als Strafrechtler und Strafverfolger dann in Straftatbeständen abzubilden. In Betracht kommen da die Straftatbestände beispielsweise der Volksverhetzung, das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, das öffentliche Aufrufen zur Begehung von Straftaten.

All das sind Straftatbestände, die man dem Delikts-Phänomen "Hate Speech" zuordnen würde. Wir haben klare Fälle, in denen wir sagen können, das ist keine freie Meinungsäußerung mehr, das ist eine Straftat. Es gibt einen ganz großen Bereich, der sich im Grauen bewegt und in dem die Einzelfallentscheidungen sehr, sehr schwierig sein kann. Das macht es mitunter so schwierig.

DOMRADIO.DE: Jetzt sind Sie ja Staatsanwalt und nicht bei der Polizei, das heißt, Sie wühlen sich ja nicht selbst durch Facebook und Twitter, sondern können immer nur dann tätig werden, wenn so etwas angezeigt wird. Dazu hat sich auch eine Initiative gegründet. Worum geht es dabei?

Hebbecker: Wir haben ein Projekt initiiert gemeinsam mit der Landesmedienanstalt in Nordrhein-Westfalen, das nennt sich "Verfolgen, statt nur löschen". Partner in diesem Projekt sind die Landesmedienanstalt, das Landeskriminalamt in Nordrhein-Westfalen und verschiedene große Medienhäuser, die ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen haben. Die Idee von diesem Projekt ist die, dass strafrechtlich relevante Inhalte nicht nur gelöscht werden. Wir wollen natürlich auch, dass gelöscht wird, aber wir wollen auch, dass diejenigen, die so etwas verfassen, identifiziert werden.

Wir möchten eben auch Strafverfolgung auf diesem Gebiet betreiben, deswegen ist der Name Programm – "Verfolgen statt nur löschen". Das klappt nur als Teamwork. Die Anzeigen kommen von unseren Medienpartnern. Wir nehmen die rechtliche Einordnung vor und die Identifizierung der Beschuldigten erfolgt zentral durch das Landeskriminalamt in Nordrhein-Westfalen.

DOMRADIO.DE: Kann ich denn als Privatperson auch anzeigen?

Hebbecker: Ihre Anzeige als Privatperson wird höchstwahrscheinlich nicht den Weg auf meinen Schreibtisch finden. Aber selbstverständlich kann jeder Bürger bei jeder Polizeidienststelle und bei jeder Staatsanwaltschaft Anzeige erstatten. Genau das sollten sie auch tun. Wenn Sie Postings finden, bei denen Sie der Meinung sind, das überschreitet die Grenze des guten Geschmacks und könnte strafrechtlich relevant sein, dann sollte sich die Staatsanwaltschaft und die Polizei das vielleicht mal anschauen. Zeigen Sie diese Postings bei der Polizei an! Je mehr solcher Postings angezeigt werden, desto eher sind Strafverfolgungsbehörden auch in der Lage dem nachzugehen und Strafverfolgung auch im Internet zu betreiben.

DOMRADIO.DE: Wird denn zu viel einfach gelöscht und zu wenig angezeigt?

Hebbecker: Ja. Ich würde sagen teilweise mangelt es vielleicht auch noch an einer Sensibilisierung dafür, dass da eben auch Straftaten begangen werden. Mitunter hört man Sätze wie: "Das ist das Internet, wer sich da bewegt muss damit rechnen, dass solche Sachen geäußert werden".

Das ist ein Zustand, den wir so nicht hinnehmen können.Im Internet gelten die gleichen Regeln wie sie auch in der analogen Welt gelten. Wir müssen als Strafverfolgungsbehörden immer auch ganz klar den Anspruch haben, dass wir die Regeln, die online wie offline gelten,  auch gleich effektiv und mit gleicher Intensität durchsetzen. Deswegen ist es ein völlig legitimer und normaler Vorgang, wenn eine Straftat bzw. ein strafbares Posting, angezeigt wird. 

Das Interview führte Andreas Lange.


Tastatur mit der Aufschrift Cyber-Mobbing  / © wsf-s  (shutterstock)
Tastatur mit der Aufschrift Cyber-Mobbing / © wsf-s ( shutterstock )
Quelle:
DR