Kirche2Go: Barmherzigkeit

Wie oft muss ich vergeben?

Wie oft muss ich meinem Bruder vergeben?, fragt Petrus im heutigen Evangelium. Jesus antwortet: Immer! - und rückt die Barmherzigkeit in den Mittelpunkt christlichen Handelns. Warum ist diese Haltung so zentral aus christlicher Sicht?

 (DR)

Es gibt in den verschiedenen Sprachen ganz unterschiedliche Begriffe für das, was in der deutschen Sprache "Barmherzigkeit" genannt wird. Dabei liegt der Ursprung im Alten Testament der Bibel. Dort steht als Beschreibung für das Wesen Gottes das hebräische Wort "rachamim". Für Pfarrer Gerhard Dane ist dies die spannendste Variante "rachamim ist ein Plural und bedeutet soviel wie Gebärmutter", erklärt er und fügt hinzu: "Dass Gott hier eine Gebärmutter zugeschrieben wird, finde ich richtig aufregend. Die Barmherzigkeit Gottes heißt ja dann, Gott ist nicht nur Vater, sondern vielleicht mehr noch Mutter."

Gott ist Vater – vielleicht mehr noch Mutter?

Hinter diesem Wort steht die Erfahrung: Gott ist umarmend, bergend, den Menschen liebend und zwar ohne Bedingung. Gott selbst hat sein Wesen gegenüber dem Propheten Moses, nachdem er das Volk Israel aus Ägyptens Sklaverei befreit hatte, so beschrieben: "Ich bin gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Güte." (Exodus 34,6) Vier Worte, die eigentlich das gleiche umschreiben. Doch gibt es Bibelwissenschaftler, die sagen, die Erfahrung, dass Gott barmherzig bleibt, obwohl das Volk direkt wieder von ihm abfällt und das Goldene Kalb gießt (vgl. Exodus 32), ist die eigentliche Befreiung.

Gott wird als derjenige erfahren, der dem Menschen zugewandt bleibt, obwohl dieser es gar nicht verdient hätte. Wenn in der Kirche von der Barmherzigkeit die Rede ist, wird darum immer wieder verwiesen auf das Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lukasevangelium, Kapitel 15). Hier beschreibt Jesus Christus das Wesen Gottes, der wie ein Vater den umkehrenden Sohn wieder in seine Arme nimmt, obwohl dieser sich zuvor vom Vater bewusst abgewandt und das Erbe verprasst hatte.

Es geht nicht um Lohn für eine erbrachte Leistung – im Gegenteil

Pfarrer Dane fasst zusammen: „Die Barmherzigkeit Gottes ist etwas Unverdientes und Unverdienbares. Es ist nicht Lohn gegen Leistung, sondern Gott ist barmherzig wie der Vater und wir sollten ein bisschen so werden.“ Die Kirche bezeichnet die Barmherzigkeit als die größte aller Tugenden. Nicht zuletzt weil Jesus in der Bergpredigt all jene preist, die barmherzig sind. Doch wie kann Barmherzigkeit im Alltag konkret aussehen?

Kirche nennt konkrete Werke der Barmherzigkeit

Die Kirche kennt sieben Werke der Barmherzigkeit, die sich auf die rechte innerliche Haltung beziehen: Mit dabei u.a. für Mitmenschen beten, Lästige geduldig ertragen oder Beleidigungen verzeihen. Dazu nennt die Kirche sieben leibliche Werke der Barmherzigkeit, die sichtbare Taten beschreiben: Wie Kranke besuchen, Almosen geben, Hungrigen zu essen geben oder Nackte bekleiden. Pfarrer Dane sagt, dass hinter diesen Beispielen jeweils auch eine doppelte Bedeutung stehen kann, denn "Nackte bekleiden" heißt nicht nur ihre Haut verhüllen, sondern ihrer Seele ein Kleid geben, sie mit einer Würde ausstatten und sie nicht bloßstellen. Man kann Menschen auch mit Worten bekleiden, so, dass sie sich nicht ausgezogen fühlen. Man kann den Mantel der Barmherzigkeit um ihre Nacktheit legen. Wer so handelt, werde Gott nicht nur ähnlich, sondern erfülle auch Gottes Willen und mache die Welt etwas heller.

Die Barmherzigkeit - Papst Franziskus‘ Lebensthema

Papst Franziskus betont immer wieder den Wert einer barmherzigen Grundhaltung und hat auch darum das Heilige Jahr der Barmherzigkeit ausgerufen. Es handelt sich hier wohl um so etwas wie das Lebensthema dieses Papstes. Pfarrer Dane hat den Eindruck: "Dieser Papst hat die Barmherzigkeit in seinem Leben persönlichst erfahren, wobei zurecht im Dunkel bleibt, was das war, und er hat das Gefühl: Nichts braucht unsere Welt im Moment mehr, als eine neue Flut von Barmherzigkeit, die wir einander entgegenbringen als Treuhänder Gottes."