Kinotipp zu Habemus Papam

Der Papst im falschen Film

Von einem "Fallbeil", das auf ihn herabzufallen schien, sprach Papst Benedikt XVI. nach seiner Wahl. Ein Bild für die übergroße Verantwortung, die dieses Amt mit sich bringt. Was aber, wenn ein bereits Gewählter nein sagt? Der italienische Regisseur Nanni Moretti hat dieses Szenario in seiner Tragik-Komödie "Habemus Papam" durchgespielt.

 (DR)

Es ist ein typischer Moretti, zwischen Realismus, Ironie, Groteske, zwischen Gesellschaftskritik und Seelenerkundung. In Italien fand der Film ein großes Publikum und erhielt mehrere Auszeichnungen, in Cannes erntete er standing ovations. Einen Teil seiner Popularität, zumal bei Intellektuellen, verdankt der unabhängige linke Filmemacher auch seinem politischen Engagement gegen Silvio Berlusconi und dessen Medienimperium.



Der Ängstliche, der den letzten Schritt nicht wagt

Zum Auftakt des Films wählt der Regisseur die große Bühne: Originalaufnahmen der Beerdigungszeremonie von Papst Johannes Paul II., Karol Wojtyla. An diese Ausnahmepersönlichkeit erinnert auch ein Pole, der umtriebige Vatikansprecher Janusz Chichocki (Jerzy Stuhr). Er scheint etwas von Wojtylas Tatkraft hinüberretten zu wollen - doch vergeblich: Aus dem Konklave geht Kardinal Melville als Papst hervor. Der französische Starschauspieler Michel Piccoli spielt ihn als Zauderer und Ängstlichen, der den letzten Schritt nicht wagt. Nach dem "habemus papam" bleibt die Loggia leer.



Moretti sparte keine Kosten, um der Inszenierung Authentizität zu geben. In Cinecitta ließ er sogar die Sixtinische Kapelle nachbauen. Die Kulissen für Michelangelos Jüngstes Gericht kamen übrigens aus Stahnsdorf bei Berlin. Die opulenten Räume laden die Geschehnisse aber nicht dramaturgisch auf. In ihnen erschient das allzu Menschliche noch menschlicher: auch Kardinäle beim Konklave. Immer wieder kippen die Ereignisse ins Fantastische, Poetische oder Absurde, behalten aber einen Rest an Plausibilität.



Melville kann sich nicht krankschreiben lassen, und auch ein renommierter Psychoanalytiker, den Moretti selbst spielt, weist keinen Ausweg. Schließlich büxt Melville aus. Auf der Suche nach sich selbst und einer Entscheidung irrt er inkognito durch Rom. Mit staunenden Augen lernt er das Leben neu kennen. Eine verspätete Selbstfindungs-Geschichte, bei der Moretti auch die Psychoanalyse aufs Korn nimmt.



Zeitvertreib mit Puzzle, Trimmrad oder Kartenspiel

Die nichtsahnenden Kardinäle vertreiben sich derweil im Vatikan die Zeit mit einem Volleyballturnier. Eine rüstige Altherrengruppe mit spielerischer Leidenschaft. Das ist unterhaltsam und durchaus sympathisch. Schon zuvor erschienen die Purpurträger wie Touristen auf Vatikanurlaub. Nun sitzen sie fest und vertreiben sich die Zeit mit Puzzle, Trimmrad oder Kartenspiel.



Moretti wahrt stets Respekt vor der Kirche und ihren Lehren. Um Theologisches geht es ihm nicht. Ebenso wenig um Intrigen, Macht- und Ränkespiele. Er konzentriert sich auf den Einzelfall. Sein Protagonist wird wider Willen in ein Amt gewählt, dessen Tragweite ihn überfordert. Nicht zufällig gelangt Melville beim Herumirren in ein Theater. Dem Schicksal der tragisch verträumten Figuren Tschechows fühlt er sich näher als der ungewollten Aufgabe.



Die filmischen Chancen, die das Papstamt und sein metaphysisches Gewicht bieten, werden kaum genutzt. Weder Moretti, der sich als Nichtgläubigen bezeichnet, noch Piccolis Melville können damit etwas anfangen. Glaube, Berufung, Gebet spielen weder als tragisches Potenzial eine Rolle, noch geben sie den Figuren ihre Konturen; nicht einmal als komisches oder satirisches Element finden sie Anwendung. Was bleibt, sind die Wartenden auf dem Petersplatz und vor den Bildschirmen. Und man fragt sich mit Melville, ob man nicht tatsächlich in den falschen Film geraten ist.