Kapitelsamt aus dem Kölner Dom

Vierter Fastensonntag - Laetare

domradio.de übertrug am vierten Fastensonntag das Kapitelsamt aus dem Kölner Dom. In seiner Predigt rief Domdechant Kleine mit Blick auf das Gleichnis des verlorenen Sohnes dazu auf, der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes zu folgen.

 (DR)

Die Hauptfigur des Gleichnisses sei im Grunde genommen weder der jüngere, noch der ältere Sohn, sondern vielmehr der Vater, so Kleine. "Deshalb gibt man dem Gleichnis oft den Titel 'Das Gleichnis vom barmherzigen Vater'". 

"Der ältere Sohn reagiert - wenn wir ganz ehrlich sind - verständich auf die Rückkehr des Bruders und die Freude des Vaters", betonte der Domdechant. Er sei verärgert und komme sich einfach geprellt vor. "Das kennen wir doch auch: Leute, die pflichtbewusst und unauffällig ihre Arbeit tun, kommen oft schlecht weg. Auf jeden Fall spricht von ihnen niemand." Der Sohn sei also ein Sprecher der Menschen, von denen die meisten ähnlich dächten.

"Gott wendet sich niemals ab"

Der Vater aber erweise sich beiden Söhnen gegenüber als der Liebende. Dem Jüngeren vergebe er, den Älteren bitte er um Verständnis für sein Verhalten. "Ein anderes Argument als das der Liebe kennt der Vater nicht", so Kleine. 

An der Person des Vaters zeige sich gleichzeitig die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes. Genau wie der Vater wende sich Gott nie von uns ab - egal, ob wir von einem Holzweg wiederkehrten oder immer auf seinem Weg blieben. Dem Vater komme es darauf an, dass der ältere Sohn am Freudenfest teilnehme und in die Freude des Vaters einstimme, sagte Kleine am Laetare-Sonntag.

Laetare - "Freue Dich"

Laetare - der lateinische Begriff für "Freue Dich" hat dem vierten Fastensonntag seinen Namen gegeben: Drei Wochen vor Ostern, mitten in der strengen Fastenzeit, sollen die Gläubigen sozusagen schon einen Vorgeschmack auf die Osterfreude bekommen.

Das Fasten wurde in früheren Jahrhunderten sehr ernst genommen. In den sechseinhalb Wochen von Aschermittwoch bis Ostersonntag durften weder Fleisch von Warmblütern noch Eier, noch Milch oder Milchprodukte genossen werden. Ebenso waren Tanz und alle Arten von Lustbarkeit untersagt. In dieser Bußzeit sollten sich die Gläubigen ganz von allem Irdischen lösen und ein durch Gebet, Verzicht und Werke der Nächstenliebe gottgefälliges Leben führen. Doch am Laetare-Sonntag hat die Kirche schon immer eine Ausnahme gemacht. Dominiert als Farbe der Liturgie während der Fastenzeit das Violett, so wird am vierten Fastensonntag meist Rosa verwendet. Es soll gewissermaßen schon das freudige österliche Weiß hindurchschimmern. Auch die Orgel wird im Gottesdienst großzügiger eingesetzt.

Gelockerte Fastengebote

Die Fastengebote waren an diesem Tag gelockert und verschiedene Volksbräuche durften als Zeugnis der allgemeinen Freude begangen werden. So hat sich am Laetare-Sonntag im gesamten katholisch geprägten Europa ein reiches Brauchwesen entwickelt, das vielerorts auch heute noch lebendig ist. Das war von der Kirche durchaus beabsichtigt. Zum einen konnten gewisse Speisen, vor allem Eier, nicht über Wochen gehortet werden. Deshalb durften vielerorts Kinder von Haus zu Haus ziehen und um Eier betteln, die dann in einem gemeinsamen Schmaus verzehrt wurden. Zum andern war es pädagogisch sinnvoll, den Gläubigen einmal in der Bußzeit einen Freudentag zu gönnen. Mit dieser kleinen Verschnaufpause fiel dann das Fasten in den verbleibenden drei Wochen bis Ostern um einiges leichter.

In Frankreich und den Benelux-Ländern aber auch in einigen Gegenden West- und Südwestdeutschlands haben sich sogar typische Fastnachtsbräuche auf den vierten Fastensonntag verlagert. Karnevalssitzungen mit Büttenreden, Umzüge mit aufwändig geschmückten Wagen, Maskierungen oder Scheibenschlagen vermitteln dem unbefangenen Beobachter den Eindruck, hier hätten sich offensichtlich einige Karnevalisten im Termin geirrt.

Mehrtägiges Volksfest

Anders in Italien und Spanien. Hier wird die Mitte der Fastenzeit sehr anschaulich versinnbildlicht. Man trägt die als überdimensionale hölzerne Puppe personifizierte Fastenzeit durch die Straßen und zersägt sie dann, zum Zeichen dass jetzt Halbzeit ist. "Segavecchia" - "Zersägen der Alten" wird dieser Brauch genannt. Er hat sich in vielen italienischen Städten mittlerweile zu einem mehrtägigen Volksfest entwickelt.

Wieder anders wird der Laetare-Sonntag in den westslawischen Ländern und in einigen Gegenden Deutschlands begangen. Dort dominiert das so genannte "Todaustragen": Kinder oder Jugendliche tragen eine Strohpuppe, die den Tod symbolisiert, durch ihren Heimatort und verbrennen oder ertränken sie außerhalb der Siedlung.

Diese Puppe wird im deutschen Sprachraum als Mann, im Slawischen dagegen, wo der Begriff "Tod" ein Femininum ist, als Frau dargestellt. Es ist möglich, dass dieser Brauch in der kirchlichen Pädagogik seinen Ursprung hat: Werden die Christen zu Beginn der Fastenzeit an ihre Sterblichkeit erinnert, deutet sich in ihrer Mitte schon die Überwindung des zeitlichen Todes an. An Ostern wird dann die endgültige Überwindung des ewigen Todes durch Jesus Christus gefeiert. Mancherorts sind solche Bräuche untergegangen, anderswo werden sie auch heute noch geübt. Auch wenn sich die meisten Akteure über den hintergründigen Sinn ihres Tuns nicht bewusst sein dürften, sind die Laetare-Bräuche doch ein Beispiel dafür, welchen Einfluss das Kirchenjahr in ganz Europa auf die Volkskultur hatte.

(dr,kna)

Am vierten Fastensonntag sang der Mädchenchor am Kölner Dom unter der Leitung von Oliver Sperling. An der Orgel: Winfried Bönig.