Traditionelles Libori-Fest mit Gottesdienst und Prozession fortgesetzt

"Nie war das Defizit an Menschlichkeit größer"

Mit einem Festgottesdienst in der Kathedrale ist heute das traditionelle Libori-Fest in Paderborn forgesetzt worden. Erzbischof Becker feierte ihn mit vielen angereisten Bischöfen. In seiner Predigt prangerte Becker einen gottlosen Lebensstil an. Anschließend wurden die Reliquien in einer Prozession durch die Stadt getragen.

Liborifest: Der Höhepunkt im Jahr für die Paderborner (KNA)
Liborifest: Der Höhepunkt im Jahr für die Paderborner / ( KNA )

Im sittlichen Bereich gebe es kaum noch Grenzen, die nicht überschritten würden. Dies geschehe "mit einer Selbstverständlichkeit und einer Selbstsicherheit, die geradezu erschreckend ist und auf eine Verfinsterung und Verhärtung des ganzen Menschen hinweist", so der Erzbischof. Grund sei, dass viele Gott aus ihrem Leben ausschalteten. Dieser Lebensstil mache die Menschen nicht freier, froher und schöpferischer. Im Gegenteil, so Becker: "Nie war das Defizit an Menschlichkeit größer, als es heute ist."



Der Erzbischof warnte vor einer schrankenlosen Biomedizin und forderte eine Besinnung auf die Menschenwürde: "Die Würde des Menschen besagt, dass der Mensch einer Bewertung durch Menschen entzogen ist." Personen hätten keinen Wert, sondern Würde, so Becker. "Und gerade die lässt sich nicht verwerten."



An dem Gottesdienst nahmen auch Bischof Yves Le Saux aus dem französischen Partnerbistum Le Mans, Erzbischof Petro Malchuk aus der Ukraine und der brasilianische Erzbischof Luiz Mancilha Vilela teil. Daneben kommen traditionell auch Vertreter aus Politik und Gesellschaft zum Patronatsfest nach Paderborn.



Caritas und Bildungsarbeit sind Schlüsselstellen

Bei einem anschließenden Empfang sagte Becker, die Arbeit von Caritas und kirchlicher Familienbildung nehme "eine Schlüsselstellung" im Gesamtgeflecht des kirchlichen Dienstes ein. "Beiden Diensten gelingt die Anschlussfähigkeit an gegenwärtige Lebenswelten". Sie vollzögen Glaubensvermittlung in zeitgemäßer Form, die eine heute oftmals vorherrschende kritische Distanz zu Glaube und Kirche überwinde. Dies gelinge durch offene, erfahrungs- und einübungsbezogene Glaubenskurse sowie den Dienst an den Armen und Bedrängten.



Die Gesellschaft heute sei geprägt von kulturellen Veränderungsprozessen und sich wandelnden Prioritäten, so Becker weiter. Was früher selbstverständlich gewesen sei, werde jetzt infrage gestellt. "Das aber bedeutet, der moderne Mensch entsichert seine Identität, befreit sich vermeintlich und macht sich los von Gewohnheiten, die er nicht mehr versteht und die ihm scheinbar nichts bringen." Darauf müsse die Kirche reagieren, und zwar durch Arbeit "an der Bruchstelle zwischen Evangelium und Kultur". Dafür stünden Caritas und kirchliche Bildungsarbeit.



"Wenn vor einem Haus das kleine rote Caritasauto steht und täglich angefahren kommt, weiß jeder, auch der Fernstehende: Hier hilft die Kirche", so der Erzbischof. Daneben seien die vielen Tausend Veranstaltungen in der katholischen Erwachsenen- und Familienbildung pro Jahr "ein kraftvolles Zeichen" dafür, dass modernes Glaubensleben gelingen könne.



Libori-Tusch

Am Samstag war das Libori-Fest eröffnet worden. Der Erzbischof feierte am Nachmittag im voll besetzten Dom einen Vespergottesdienst (in voller Länge hier), bei dem zu Beginn in einer Prozession der Reliquienschrein mit den Gebeinen des Heiligen Liborius (348-397) aus der Krypta in den Hochchor getragen wurde. Dazu erklang der gewaltige Libori-Tusch.



An der Feier nahmen zahlreiche Bischöfe aus dem In- und Ausland teil. Unter den Gästen war auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Bis zum 5. August steht Paderborn ganz im Zeichen des Bistumpatrons. Es gibt Gottesdienste, Info- und Kulturveranstaltungen sowie Treffen zahlreicher Gruppen und Verbände der Kirche. In der Stadt findet ein Volksfest mit Kirmes statt.



Der Libori-Schrein wird traditionell am Dienstag wieder in die Krypta zurückgeführt (live auf domradio.de ab 17 Uhr).



Motivation und Ansporn

Erzbischof Becker hat das Libori-Fest 2012 unter das Motto "Erneuert euren Geist und Sinn" gestellt. Das Zitat aus einem Brief des Apostels Paulus an die christliche Gemeinde in Ephesus solle Motivation und Ansporn sein, sich immer wieder neu auf Jesus Christus zu besinnen, schreibt Becker in seiner Einladung zum Libori-Fest. Darüber hinaus solle mit dem Leitwort an das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) und die von ihm ausgehende pastorale und ökumenische Erneuerung der Kirche erinnert werden.



Das Libori-Fest mit seiner Mischung aus Kirchenfest, Kirmes, Kultur und Politikveranstaltungen hat seinen Ursprung im Jahr 836. Damals wurden die Gebeine von Liborius, der Bischof von Le Mans in Frankreich war, nach Paderborn überführt. So entstand eine der ältesten Städtepartnerschaften.