Kirchen fordern Debatte zu Klima und Sterbehilfe

Die Leviten gelesen

Zum Auftakt des CDU-Bundesparteitags haben Kirchenvertreter die Politik zu einer intensiveren Diskussion zu Klimaschutz und Sterbehilfe aufgefordert. An einem Gottesdienst im Dom nahm auch Bundeskanzlerin Merkel teil.

 (DR)

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki rief die Politik zu einem stärkerem Engagement für den Klimaschutz auf. Wenn die CDU auf dem Parteitag über Lebensqualität diskutiere, müsse sie auch die Menschen berücksichtigen, deren Lebensgrundlagen weltweit durch den vor allem von den Industrieländern verursachten Klimawandel bedroht würden, betonte Woelki. An dem Gottesdienst mit den Parteitagsdelegierten im Kölner Dom nahmen neben Bundeskanzlerin Angela Merkel auch Bundestagspräsident Norbert Lammert, Fraktionschef Volker Kauder, NRW-Landeschef Armin Laschet, CDU-Vize-Chefin Julia Klöckner, Verteidigungsministerin von der Leyen, Kanzleramtsminister Peter Altmaier und Generalsekretär Peter Tauber teil.

"Die Zunahme von Katastrophen wird zu wenig als Folge von Industrie, Verkehrsaufkommen und Ressourcenverbrauch gesehen", sagte der Kölner Erzbischof. "Die negativen Auswirkungen des Klimawandels treffen die verletzbaren Bevölkerungsgruppen existenziell." Als Folge des Klimawandels entstünden Verteilungskonflikte und Wanderungsbewegungen. "Es werden künftig also nicht nur diejenigen an die Tür der Festung Europas zu klopfen versuchen, die vor Waffengewalt fliehen, sondern ebenso diejenigen, deren Lebensgrundlagen klimatisch bedroht sind."

Woelki: "Bei uns stirbt keiner allein"

In der Debatte um Sterbehilfe begrüßte der Kardinal die sehr intensive und ernsthafte Debatte im Bundestag. Der Gesetzgeber müsse sich nicht nur der Frage widmen, "wo es zwischen individueller Selbstbestimmung und ärztlicher Verantwortung Handlungs- und Regelungsbedarf gibt, sondern auch, ob überhaupt und wie dieser Handlungsbedarf in allgemeinverbindlichen gesetzlichen Regelungen überzeugend gelöst werden kann."

Woelki sieht beim Umgang mit Sterbenden eine zentrale Verantwortung der Kirchen. Sie müssten einerseits das Wort ergreifen, um vor einem ethischen Dammbruch zu warnen. Darüber hinaus müssten sie in den eigenen Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitswesens sterbenden Menschen und ihren Angehörigen beistehen, die palliative Versorgung ausweiten und "eine Form der Begleitung ermöglichen, die das Diktum rechtfertigt: Bei uns stirbt keiner allein".

Direkt an die CDU-Vertreter im Dom gewandt, sagte der Kardinal: "Sie wollen die Wirklichkeit der Welt, so wie sie uns heute begegnet, durch Ihre politische Arbeit verantwortlich mitgestalten. Zu dieser Wirklichkeit der Welt gehört nicht minder die Wirklichkeit Gottes, die sich uns im Glauben eröffnet. Auf dem Boden der Wirklichkeit Gottes stehen, heißt, sich unbeirrbar an Gott gebunden wissen. Denn die Bindung an Gott beengt Sie nicht, sondern gibt Ihnen jenen Halt, den Sie für Ihre politische Arbeit brauchen. Sie gibt Ihnen Halt, weil Gott Sie trägt. Die Bindung an Gott nimmt Ihnen auch nicht Ihre Freiheit, sondern gibt Ihnen Freiheit, vor allem jene innere Freiheit, Sie selbst zu sein und sich nicht manipulieren zu lassen. Die Bindung an Gott bewahrt Sie vor Überheblichkeit bei Sieg und Erfolg, sie bewahrt Sie aber auch vor Entmutigung bei Niederlage und Misserfolg. Das Stehen auf dem Boden der ganzen Wirklichkeit, der Wirklichkeit dieser Welt und der Wirklichkeit Gottes, ist die beste Voraussetzung für einen partnerschaftlichen Umgang, wie er unter Demokraten gepflegt werden sollte."

Präses Rekowski: Christen sind "Liebhaber des Lebens"

Auch der rheinische Präses Manfred Rekowski hat die Ablehnung von Sterbehilfe bekräftigt. Das Leben bestehe nicht nur aus Autonomie, sondern vielfach aus Abhängigkeiten und Angewiesensein, sagte der evangelische Theologe Rekowski in seiner Predigt im Kölner Dom: "Christinnen und Christen wissen, dass die Würde eines Menschen nicht erst und nicht nur so lange besteht, wie uns 'selbstbestimmtes Leben' möglich ist."

Abhängigkeiten gehörten nicht nur zum Anfang, sondern für viele auch zum Ende des Lebens, betonte der leitende Geistliche der Evangelischen Kirche im Rheinland laut Redemanuskript. Auch in den vielen Jahren dazwischen sei das nicht anders. Christen seien "Liebhaber des Lebens", die um ihre Gaben und Grenzen wüssten, sagte Rekowski.

Auf dem Bundesparteitag in Köln treffen sich bis Mittwoch CDU-Mitglieder aus ganz Deutschland. Neben dem Thema Sterbehilfe beschäftigen sich die Politiker unter anderem mit Anträgen zum Verbot der Burka in der Öffentlichkeit und zum Verbot radikalislamischer Organisationen. Auch die Neuwahl der Führungsspitze steht auf der Tagesordnung.

Vor dem Gottesdienst sagte die stellvertretende CDU-Parteivorsitzende und Landesvorsitzende der CDU in Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner, im domradio.de-Interview, der Ökumenische Gottesdienst sei eine "wirklich eine gute und wichtige Tradition für uns. Es ist ein schöner Start, um deutlich zu machen, dass wir zwar viel entscheiden, aber nie alles bewegen und herumreißen können." Es gebe Grenzen des menschlichen Handelns, so Klöckner, Entscheidungen sollten nie nur tagungsstimmungsabhängig sein, sondern "auch auf Grundlage des christlichen Menschenbildes" getroffen werden. (KNA, epd, domradio)


Dompropst Feldhoff begrüßt Bundeskanzlerin Angela Merkel / © Boecker
Dompropst Feldhoff begrüßt Bundeskanzlerin Angela Merkel / © Boecker

Julia Klöckner, Angela Merkel und Armin Laschet / © Boecker
Julia Klöckner, Angela Merkel und Armin Laschet / © Boecker