Kirche fordert zu Allerheiligen Teilhabe an Gemeinschaft der Heiligen

Bluttransfusion, nicht Aderlass

Katholiken weltweit haben am Dienstag das Hochfest Allerheiligen begangen. Der Kölner Erzbischof Kardinal Meisner betonte die Gemeinschaft der Heiligen. Diese sei umso wichtiger, je dünner die Präsenz der Kirche in der Welt würde. Der Papst bezeichnete Heiligkeit als "kein unerreichbares Ideal".

 (DR)

Die Gemeinschaft der Heiligen mache in einer Situation der Diaspora eine "missionarische Verdichtung" möglich, sagte Kardinal Meisner bei seiner Predigt im Kölner Dom. Am Allerheiligenfest richte sich der christliche Blick auf "den Heiligen schlechthin: den lieben Gott". Zwischen dem gekreuzigten "Christus ganz unten" und dem auferstandenen "ganz oben" befinde sich der Raum für die Heiligen. Ihre Gemeinschaft erlebten wir "vertikal", die aller Getauften auf dieser Welt "horizontal".



Als Beispiel einer Heiligen der "kirchlichen Normalität" nannte Meisner Edith Stein: "Sie war nicht eine Heilige ganz oben und nicht eine ganz unten." Auch wir Christen heute dürften keine "Kostgänger der Gemeinschaft der Heiligen sein" und "immer nur vom Einsatz der anderen Heiligen leben". Ein jeder solle in die Gemeinschaft der Heiligen seine Gaben einbringen und mit seinen Talenten wuchern. Denn es gehe nicht um einen "Aderlass der Heiligen, sondern ihre Bluttransfusion".



Im Mittelpunkt beim Fest Allerheiligen steht das Gedenken an die Verstorbenen. Viele Menschen besuchen dazu die Gräber ihrer Angehörigen. In der westlichen Kirche wird Allerheiligen seit dem neunten Jahrhundert am 1. November gefeiert. In sechs Bundesländern ist das Fest gesetzlicher Feiertag.



Papst: Heiligkeit ist kein unerreichbares Ideal

Heiligkeit ist nach Ansicht von Papst Benedikt XVI. kein unerreichbares Ideal, sondern sollte Ziel aller Getauften sein. Zum Allerheiligenfest am Dienstag rief das Kirchenoberhaupt die Gläubigen auf, das Evangelium mit Erfindungsreichtum auch heute greifbar zu machen. Bei höchst unterschiedlichen Lebenswegen hätten die Heiligen die Nachfolge Christi als oberstes Ziel vor Augen gehabt, sagte er bei seinem Angelus-Gebet auf dem Petersplatz. Mit Blick auf das Fest Allerseelen am Mittwoch betonte der Papst, das Gebet für die Toten sei "nicht nur hilfreich, sondern auch notwendig". Es könne nicht nur den Verstorbenen helfen, sondern auch deren Fürbitte für den Beter erwirken.



Der Gang auf die Friedhöfe und zu den Gräbern sei ein frommes Gedenken für verstorbene Angehörige und Freude, so Benedikt XVI. Zugleich erinnere er aber auch daran, "dass wir alle auf ein anderes Leben nach dem Tod zugehen". Die Trauer über die Loslösung von der Erde dürfe nicht über die Gewissheit der Auferstehung und die Hoffnung auf die Ewigkeit dominieren, sagte der Papst. Die Heiligen seien gleichsam "das gelebte Evangelium". An ihnen könne man erkennen, dass die Botschaft Christi "kein unerreichbares Ideal ist, sondern konkret gelebt, in unser ganz persönliches Leben hinein umgesetzt werden kann".



Ausdrücklich begrüßte Benedikt XVI. nach dem Mittagsgebet auch die Mitglieder des Generalrates des Internationalen Kolpingwerkes. Sie hatten in der vergangenen Woche in Rom ihren neuen Präsidenten gewählt, den aus dem Bistum Trier stammenden Geistlichen Ottmar Dillenburg (50). Gleichzeitig waren in den vergangenen Tagen rund 7.000 Mitglieder des Internationalen Kolpingwerkes aus Anlass des 20. Jahrestags der Seligsprechung seines Gründers Adolph Kolping (1813-1865) zu einer Dankwallfahrt nach Rom gekommen.



Zollitsch zur Bedeutung von würdevollem Totengedenken

Der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch bezeichnete ein würdevolles Totengedenken als Ausdruck einer menschlichen Gesellschaft. "Wie wir mit dem Andenken an die Verstorbenen umgehen, sagt viel aus über die Bedeutung, die dem Menschen in einer Gesellschaft beigemessen wird", betonte Zollitsch in einem am katholischen Feiertag Allerheiligen veröffentlichten Beitrag auf der Internetseite seines Bistums. "Dort, wo die Toten einen festen Platz des Gedenkens erhalten, wo man gleichsam gut sterben kann, da kann man auch gut leben."



Christliche Überzeugung sei es, so Zollitsch weiter, dass die Achtung vor dem Mitmenschen keineswegs mit dem Tod verlösche. Vielmehr blieben gelebte Beziehungen über den Tod hinaus von Bedeutung. Wichtig ist für den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, dass eine Gesellschaft "Zeiten und Orte" der Trauer ermögliche. Andernfalls falle das Gedenken schwer und werde es mühsam, Zeit für ein Gebet zu finden. "Deshalb erfüllt es mich mit Sorge, dass immer häufiger Menschen anonym beerdigt werden", so Zollitsch.



Der Erzbischof erinnerte an den Brauch, an Allerheiligen und Allerseelen Lichter an den Gräbern geliebter Menschen zu entzünden. Dies verdeutliche, dass das Licht Gottes weiterleuchte, "mag es noch so dunkel in unseren Herzen sein, wenn wir um einen lieben Menschen trauern". Zollitsch bezeichnete das Gebet als Tür zu den Menschen, "die uns im Leben und Sterben vorausgegangen sind".



Das "Ostern des Herbstes"

Der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst nannte Allerheiligen ein "Fest überwältigender Freude über das große Ja Gottes zum Leben". An den Heiligen und ihrem oft harten Leben zeige sich, "dass Gott es im Letzten immer wieder hell werden lässt", sagte der Bischof im Limburger Dom. In seiner Predigt nahm er die Botschaft des aktuellen Films "Melancholia" des dänischen Filmemachers Lars von Trier auf. "Melancholia" sei eine "Parabel auf die Ausweglosigkeit einer Welt, in der es das Wort Gott nicht mehr gibt", so der Bischof. Die "einzig angemessene Haltung ist dann noch die Depression". Nihilismus sei die Hölle. "Der Mensch aber ist für den Himmel geschaffen", sagte Tebartz-van Elst.



Der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann sagte bei seiner Predigt, Allerheiligen sei das "Ostern des Herbstes". Beim Besuch der Gräber an diesem Tag werde der Blick auf "die in der Ewigkeit bei Gott vollendeten Menschen - und damit auf den Himmel - gelenkt". Die Gläubigen könnten schon auf die eigene Vollendung vorausschauen.



Heilige seien nicht nur jene, die einen Heiligsprechungsprozess durchlaufen hätten, erklärte der Bischof weiter. Es könnten auch ganz unbekannte Personen sein, Menschen aus dem eigenen Verwandten- und Bekanntenkreis, von denen niemand spreche, die aber im Einklang mit dem Willen Gottes ihr Leben vollendet hätten. Im Himmel gebe es genügend Platz "für eine unzählbar große Schar von Heiligen - und auch noch für Sie und mich", so Hofmann.