Kardinal Meisner gibt Karnevalisten den Segen und erinnert an klöppellose Monate

Köln ohne Karneval ist wie eine Glocke ohne Klöppel

Es ist für gläubige Jecken der heimliche Höhepunkt der Session: Die Karnevalisten holen sich kurz vor der Prinzenproklamation den Segen Gottes durch den Kardinal im Kölner Dom ab. Karneval und Kirche demonstrieren seit 2007 mit einem Gottesdienst ihre Verbundenheit. In diesem Jahr erinnerte der Kardinal in seiner Predigt an die Monate, in denen der Decke Pitter, die Petersglocke, stumm blieb.

Dr. Guido Schlimbach / © privat (privat)
Dr. Guido Schlimbach / © privat ( privat )

Anwesend waren viele hundert Kölner Karnevalisten, so das designierte Dreigestirn, das Kinderdreigestirn und zahlreiche Mitglieder der Festkomitee-Gesellschaften. Die Karnevalisten waren in ihren traditionellen, bunten Uniformen und mit Standarten in den Dom gekommen. Das designierte Dreigestirn und das Kinderdreigestirn trugen die Fürbitten der Festmesse vor. Die musikalische Gestaltung lag bei den Domstädtern und den Kölner Ratsbläsern. Die vom Kardinal gesegnete Karnevalskerze wird nun bis zum Aschermittwoch im Dom brennen und soll die Karnevalisten sicher durch die Feierlichkeiten bringen.

In seiner heiteren aber auch besinnlichen Predigt pries der Kölner Erzbischof den Karneval: "Wie die Glocke ohne Klöppel nicht sein kann, um zu läuten, so kann auch Köln ohne Karneval nicht sein." Der Karneval lade die Menschen immer wieder ein, aus dem Einzeldasein, aus der Familie, aus der Verwandtschaft, aus dem Bekanntenkreis hinauszutreten in die größere Einheit des bürgerlichen Vereins, der kirchlichen Gemeinde oder des Veedels, und zwar nicht nur, um Probleme zu lösen, sondern um Karneval zu feiern, sagte Meisner im vollbesetzen Dom.

Dies bedeute nicht mehr oder weniger, "uns unseres Daseins zu freuen, dass wir da sind und dass wir in Kölle sind und dass wir das Leben haben und in Gemeinschaft mit vielen guten anderen Menschen stehen, die zusammenhalten, die zusammenfeiern und die zusammengehen", sagte Meisner weiter und zitierte das Wort des Apostels Paulus "Freut euch im Herrn zu jeder Zeit!" Diese Freude, "die aus der Nähe des Herrn entspringt, besteht darin, anderen Freude bereiten zu wollen", erläuterte Meisner. Ihr sei es nicht wichtig, etwa einen Karnevalsorden zu bekommen, sondern dass die anderen sich darüber freuten, ihn zu erhalten. "Richtige Freude steckt an."

"Sorgen wir dafür, dass kein Argwohn, kein Neid, kein Hass und keine Missgunst im Herzen wohnen", appellierte Meisner an die Karnevalisten. Mit dem Menschen sei es wie mit dem "Decken Pitter", dessen Klöppel im vergangene Jahr repariert werden musste. Wie diese größte Glocke des Doms ohne Klöppel nicht klinge, so habe ein Mensch ohne ein gutes Herz keine Ausstrahlung. "Das Herz gibt dem Menschen Profil, Inhalt und Charakter", sagte der Kardinal im mit Jecken besetzten Dom.

Der Erzbischof schloss mit den Worten: "Gottlob, dass Karnevalisten ein Herz haben, sodass ihr Gesicht leuchtet, auch wenn es nicht angemalt ist. Und das Herz ist die Wohnung Gottes im Menschen. Und Gott sei Dank, dass unser "Decker Pitter" wieder zu hören ist und dass uns im Gewissen die innere Stimme gegeben ist, die uns auf die rechten Wege führt. Denn das Gewissen ist die zuhörende Stimme Gottes in uns. Gott sei Dank, dass wir den "Decken Pitter" hören und dass uns die gute Hand gegeben ist, die den anderen in den Vordergrund rückt, die sich freut, andere zu erfreuen. Die Freude an der Freude anderer ist der Lebensstil Gottes im Menschen. Dreimal Gott, dann müssten die Karnevalisten wirklich alles haben, was zu einem gesegneten und frohen Kölner Karneval gehört: das gute Herz, das gute Gewissen und die gute Hand, sodass dann alle Besucher des Kölner Karnevals besser wieder von Köln weggehen werden, als sie zu uns gekommen sind."

Verbundenheit zwischen Karneval und Kirche
Anmerkungen von Bernd Höft, Mitglied des Vorstandes des Festkomitees Kölner Karneval von 1823: Zunächst ist sicher, dass nicht die Karnevalisten die Dauer einer jeden Session bestimmen. Das jecke Ende leitet sich aus der Lage des christlichen Festes Ostern ab. Einen ersten Vorgeschmack auf die Session gibt es schon im Herbst - dann kalendarisch festgelegt auf den 11. im 11. - also den 11. November. Für die Verantwortlichen im Kölner Karneval - ganz konkret der Vorstand des Festkomitees - und das designierte Kölner Dreigestirn wird es an diesem lebhaften Tag zunächst still. Denn die "Karnevalsoffiziellen" besuchen morgens erst den Dom, besinnen sich einen Moment, kommen kurz zur Ruhe und erleben, wie klein doch der einzelne Mensch in diesem großartigen, mächtigen Gebäude erscheint. Wenige Stunden später werden diese Personen von den Medien begleitet, auf den karnevalistischen Bühnen begrüßt und gefeiert. Dies ist der Vorgeschmack auf das, was in der Session folgen wird. Vor der Proklamation des Kölner Dreigestirns wird ein Gottesdienst im Hohen Dom zu Köln gefeiert. Dieser Gottesdienst, ein Pontifikalamt, wird durch den Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner zelebriert. Die Verbundenheit zwischen Karneval und Kirche zeigt sich außerdem in nahezu jeder der einzelnen Karnevalsgesellschaften: Kaum eines der bekannten Traditionskorps verzichtet auf eigene Gottesdienste, die entweder zum Gedenken der Verstorbenen oder zum Auftakt der Session abgehalten werden. Zudem gibt es viele Karnevalsgesellschaften, die auf einen Geistlichen in den eigenen Reihen nicht verzichten wollen. Diese Geistlichen tragen innerhalb der Gesellschaften ganz unterschiedliche Bezeichnungen und gestalten eigene Gottesdienste mit den Karnevalisten.

Pfarrsitzungen und Domsitzung
Zahlreiche Künstler im Karneval haben erste Erfahrungen in Pfarrsälen und bei sogenannten "Pfarrsitzungen" gesammelt. Weit mehr als 100 Pfarrsitzungen zählt man in Köln und sicher ebenso viele Gottesdienste, die den karnevalistischen Bezug herstellen. So mancher Priester predigt in der Session mit Pappnase - wer kann, auch in der "kölschen Sprooch". Denn diese Sprache ist tief aus dem Herzen der Kölner gewachsen und somit gehen solche Botschaften besonders unter die Haut und ans rheinische Herz. In die karnevalistische "Mess op Kölsch" geht der Jeck sogar bunt kostümiert. So gekleidet besucht er natürlich auch die so genannte Domsitzung, eine Karnevalsveranstaltung, bei der sich viele Geistliche und Verantwortliche der Kirche treffen und die kulturellen Werte des Karnevals pflegen. Als traditionsreicher Termin des Kölner Dreigestirns gilt mittlerweile der Besuch beim Erzbischof. Zahlreiche Benefizveranstaltungen, die durch das Festkomitee und das Kölner Dreigestirn unterstützt werden, gibt es in Köln. Bei einem dieser Termine lässt es sich Erzbischof Joachim Kardinal Meisner nicht nehmen, in Begleitung von Oberbürgermeister und Festkomitee-Präsident als Schirmherren, mit dem Klingelbeutel für eine gute Sache durch die Besucherreihen zu gehen. Dass vergleichbares Engagement auch in der Evangelischen Kirche zu finden ist, versteht sich von selbst. Auch der Besuch des Kölner Dreigestirns beim Stadtsuperintendenten gehört zu den beliebten Terminen eines jeden Trifoliums. Die karnevalistischen Traditionen um die "Schwarze Muttergottes" in der Kirche St. Maria in der Kupfergasse reichen weit zurück. Traditionen werden auch hier gelebt, wenn das Kölner Dreigestirn an einem genau festgelegten Tag eine Kerze aufstellt, um damit Gottes Segen für den Rosenmontagszug zu erbitten.

Karneval oder Kirche ?
Sicher wirkt der Bezug zwischen Karneval und Kirche für Fremde ungewöhnlich und eigenartig. Genau deshalb ist er ein Teil der Kölner Identität und darum gilt es, dies zu pflegen und zu würdigen. Sicher wird der Karnevalist, der die "Mess op Kölsch" besucht, auch beim "Äschekrütz" nicht fehlen. Denn der Jeck weiß: Erst die Fastenzeit gibt dem nächsten Freudenfest im Jahr wieder einen glanzvollen Stellenwert: Ostern. Der Kölner besingt auch dies wieder mit "Am Aschermittwoch ist alles vorbei". Schließen wir mit dem Beginn - Karneval oder Kirche? Der Kölner muss sich nicht entscheiden. Gott sei Dank - wem auch sonst?!