Kapitelsamt im Kölner Dom

Siebter Sonntag der Osterzeit

domradio.de übertrug am Siebten Sonntag der Fastenzeit das Kapitelsamt dem Kölner Dom. In seiner Predigt erinnert Prälat Johannes Bastgen an den Weltgebetstag für die katholische Kirche in China. Obwohl Religionsfreiheit dort noch ein Fremdwort sei, könnten wir auch in Deutschland von ihnen lernen, "Christ zu sein in dieser Welt".

 (DR)

Die Bibeltexte der johanneischen Tradition, die an diesen Sonntagen verlesen werden, werden nicht müde, das Ineinander von Liebe, Bleiben in Gott und Erkenntnis der Wahrheit in immer neuen Variationen zu umkreisen. Sie spielen dabei mit der Doppelbedeutung des Wortes "erkennen". Erkennen im üblichen Sinn ist eine Sache der Sinneswahrnehmung, der Vernunft und der Logik. Die angesprochene Gemeinde hat vielleicht mit Leuten zu tun, die behaupten, die wahre Erkenntnis im Sinn des richtigen Wissens sei es, die den Menschen rette. "Erkennen" ist aber in der Heiligen Schrift auch ein anderes Wort für "lieben", auch in der leiblichen Dimension.  Erkenntnis, gar Gotteserkenntnis ist ohne Liebe nicht möglich.

Wortgottesdienst

Erste Lesung
Israel besteht nach der Tradition aus zwölf Stämmen, den Nachkommen der zwölf Söhne Jakobs, der von Gott den Namen "Israel" ("Gotteskämpfer") verliehen bekam. Dass der Herr sie nach der assyrischen Zerstörung des Nordreichs und dem babylonischen Exil wieder sammeln würde, ist eine alte Heilsvorstellung. Auch Jesus hat davon gesprochen, das verstreute Volk zu sammeln. Und er hat den besonderen Kreis der "Zwölf" um sich versammelt: zwölf "Söhne Israels". Sie repräsentieren das ganze Volk. Auch dass hier im Text von hundertzwanzig Versammelten die Rede ist, hängt damit zusammen. Nach der Himmelfahrt erkennen die verbliebenen Elf, dass sie die Symbolik der Sammlung ganz Israels bewahren und jemanden als zwölften Repräsentanten bestimmen müssen, der die Sammelbewegung Jesu von Anfang an miterlebt hat. Zum Amt der Zwölf gehört die Zeugenschaft nicht nur für Tod und Auferstehung Jesu, sondern auch für sein gesamtes öffentliches Leben. Und so wie sie ihr eigenes Amt als Anteil oder Los (griechisch: kleros) verstehen, in dem Gott seinen Willen äußert (vgl. Spr 16, 33), wird auch Matthias durch Los bestimmt.

Zweite Lesung  
Bei der Liebe geht es nicht um Leistung, denn unsere Liebe ist immer nur Antwort auf die Liebe, die Gott gibt. Die Liebe ist hier geschildert wie die Bewegung eines Kraftfeldes, die von Gott ausgeht, um den Menschen zu ergreifen und ihm Anteil an seinem göttlichen Wesen zu schenken. Sie ist zunächst die innergöttliche Liebe zwischen Vater und Sohn, in die die Menschen hineingenommen werden können.  Deshalb ist hier nicht von Ergreifen, sondern von Annehmen, nicht von Erreichen, sondern von Bleiben die Rede.

Evangelium
In seinem "Hohepriesterlichen Gebet" bittet Jesus den Vater für seine Jünger. Auch hier ist das, was Jesus den Menschen geoffenbart hat, der Name Gottes, nicht ein Gegenstand des Nachdenkens oder Wissens, sondern wie ein Raum, ein Bereich, in dem die Menschen bleiben. Der Name benennt nach biblischer Vorstellung das Wesen; er sagt, wie jemand ist. Das Bleiben in Gottes Namen, in Gottes Wesen selbst, das Jesus ermöglicht, bringt einerseits Freude in Fülle und vollkommene Einheit, andererseits den Hass der "Welt". Auch hier ist die Welt nicht einfach das, was wir auf der Erde vorfinden, sondern der Inbegriff dessen, was der Haltung der Liebe widerspricht, auch in subtileren Formen.

Wer da in Gott wohnt,
der ist wohlbehaust und ist ein Erbe Gottes.
Und in wem Gott wohnt,
der hat würdige Hausgenossen bei sich.

Ein Meister spricht,
dass die Seele vom heiligen Gott berührt wird,
ohne irgendeine Vermittlung.
Denn in der Liebe,
in der Gott sich selbst liebt,
in der liebt er mich,
und die Seele liebt Gott in eben dieser Liebe.
Und die Seele liebt wiederum Gott
in derselben Liebe,
in der er sich selbst liebt.
Wäre aber diese Liebe nicht,
darin Gott die Seele liebt,
so wäre der Heilige Geist nicht.
Es gibt eine Hitze
und ein Aufblühen des Heiligen Geistes,
darin die Seele Gott liebt.

Meister Eckhart

(hier zitiert nach: Ders., Vom Adel der menschlichen Seele, hg. und eingeleitet von Gerhard Wehr, Anaconda-Verlag Köln 2006)


(Quelle: Messbuch 2009, Butzon & Bercker Verlag)