Kapitelsamt im Kölner Dom

12. Sonntag im Jahreskreis

domradio.de übertrug am 12. Sonntag im Jahreskreis das Kapitelsamt im Kölner Dom. Zelebrant und Prediger war Domkapitular Prälat Josef Sauerborn. Es sang der Kölner Domchor unter der Leitung von Eberhard Metternich. Die Orgel spielte Ulrich Brüggemann. In diesem Kapitelsamt sangen zum ersten Mal 29 Knaben des B-Chores mit den älteren Sangeskollegen im Kölner Dom.

 (DR)

Macht ist vielen suspekt. Doch wir kommen um die Mühe des Unterscheidens nicht herum. Welche Macht wirkt wie? Wozu dient Macht? Und welche Ergebnisse zeitigt sie? Gottes Macht wirkt zum Leben. Es gibt nichts Größeres.

Wortgottesdienst

Este Lesung
Das mächtige Meer - bei Gott wird es zum kleinen Kind. Furchterregende Fluten - Gott zeigt sich als fürsorgliche Mutter oder Amme, die liebevoll wie nach einer Geburt das Meer wickelt und kleidet, ihm pädagogisch Grenzen setzt: Bis hierher und nicht weiter.
Ijob, der vorher noch hatte sterben wollen, zurückwollte in einen Zustand vor seiner Geburt, erlebt jetzt Ähnliches und zugleich Größeres: Noch das Chaos lässt Gott bei sich geborgen sein. Das Furchterregende muss Gott nicht vernichten, er nimmt es in seine Arme. Nicht Gottes Macht und Übermacht muss Ijob sich geschlagen geben. Vielmehr wird Ijob getröstet: Die Gewalt, die ihn ängstigt - bei Gott ist sie wie ein kleines Kind, hilflos, bedürftig, schwach. Welch andere Perspektive tut sich da auf!
  
Zweite Lesung
Es fällt uns soviel leichter, an Schöpfung zu glauben als an Auferstehung. Dass Gott Himmel und Erde, Pflanzen und Tiere und Menschen erschaffen hat, geht noch an. Aber eine Auferweckung von den Toten? Dabei - so Paulus - ist das eine doch nicht ohne das andere denkbar. Gottes Schöpfung ist Ruf zum Leben, wo vorher kein Leben war. Erschaffung der Welt und Auferweckung von den Toten sind zwei Seiten derselben Medaille. Wer zum Auferstandenen gehört, ist schon hineingenommen in Gottes neue Schöpfung. Wo Nichts war, ist Neues geworden.

Evangelium
Jesus nimmt die Jünger mit über den See. Er nimmt sie mit hinein in Sturm und Gefahr. Dass er dabei schlafen kann, erleben sie nicht als Beruhigung. Sie sehen sich vielmehr allein gelassen, wie verstoßen. Kümmert es Jesus denn nicht, was mit ihnen geschieht? Sind sie ihm denn egal? Müssen sie ihn erst einmal aufschrecken mit dem Gedanken, dass sie fast schon zugrunde gehen? Noch wissen sie nicht, welche Gefahren ihnen einmal noch drohen. Noch haben sie keine Ahnung davon, in welche Stürme sie hineingeraten werden, was ihnen noch alles um die Ohren pfeift.
Jesus stillt ihnen den Sturm, stillt den Sturm ihrer Furcht. Oder war es umgekehrt? Dass er ihnen die Ruhe ins Herz gab und das Toben der Elemente wurde still? Wie oft sind die Ängste, die unsere Phantasie entwickelt, weit größer als die, die wir in konkreten Nöten tatsächlich haben. Wie oft machen unsere Ängste die Stürme unseres Lebens noch größer, als sie dann wirklich sind.
Was ist das für ein Mensch, dass ihm Wind und See gehorchen?, so fragen sich die Jünger. Der Ängste von uns nimmt und Ruhe gibt? Was ist das für ein Mensch?, so lässt der Evangelist seine Leserinnen und Leser staunen. Das Evangelium gibt an Ort und Stelle keine ausdrückliche Antwort. Denken wir dran: Der Name Gottes wird zu Jesu Zeiten nicht mehr laut ausgesprochen, allenfalls umschrieben. Ein heiliges Schweigen.

Die Wundererzählungen bedeuten immer die Frage:
Was wagst du eigentlich zu hoffen?

Friedrich-Wilhelm Marquardt
(evangelischer Theologe 1928-2002)