Kapitelsamt aus dem Kölner Dom - Predigt hier nachhören

Zweiter Adventsonntag

domradio.de übertrug am 2. Adventssonntag das Kapitelsamt aus dem Kölner Dom. Zelebrant und Prediger war Domkapitular Hans-Josef Radermacher, der in seiner Predigt vor dem reinen Konsumstreben in der Vorweihnachtszeit warnte. Es sang der Mädchenchor am Kölner Dom unter der Leitung von Oliver Sperling. An der Orgel spielte Ulrich Brüggemann.

 (DR)

Warten. Alle Sinne ausrichten auf das erlösende: "Es ist soweit!" Der Wartebereich eines Flughafens. Einer schaut nervös auf die Uhr. Eine andere trommelt mit den Fingern auf die Tischplatte. Wieder einer scharrt mit den Füßen. Zeit totschlagen. Noch wenige Minuten, dann ist es endlich soweit! Hätte es doch endlich ein Ende, das Warten! Es scheint, als habe diese Wartezeit gar keinen eigenen Wert, als sei sie verlorene Zeit, leere Zeit, Nicht-Zeit, da nur der Zeitpunkt der Ankunft zählt. Auf den Gesichtern spiegeln sich unterschiedliche Gefühle: Wie schön, den Freund, die Freundin, die Tochter, den Sohn wiederzusehen! Aus dem geplanten Projekt könnte etwas Gutes werden! Wird der Geschäftspartner auf meine Vorschläge eingehen? Warten ist gefüllte Zeit, gefüllt mit Hoffnungen, Ängsten, Spannung. Wartezeit will erfüllte Zeit werden: Unsere Hoffnungen, Ängste, Spannung wollen gestaltet und umgestaltet werden in der Erwartung der Ankunft Gottes in dieser Welt.

Wortgottesdienst
Erste Lesung
Die Botschaft des Propheten Deuterojesaja ("Zweiter Jesaja") geht zu Herzen, nicht nur der Menschengruppe, die jetzt aus dem Babylonischen Exil nach Jerusalem zurückkehrt: Die Zeit eurer Knechtschaft ist vorbei, die Schuld ist abgegolten, jetzt bricht eine neue Zeit an! Eine Zeit der umgekehrten Verhältnisse, in der das Krumme gerade und das Hügelige eben wird, in der Berge sich senken und Täler sich füllen. Die Zeit eines ungewöhnlichen Mächtigen; nicht im Rampenlicht, nicht auf dem roten Teppich, nein, in der Wüste will er empfangen werden, hier soll ihm der Weg bereitet werden. Wüste, Ort der Abgeschiedenheit und der Leere, Wüste, Nicht-Ort. Gerade so Ort des Neuanfangs in Armut, Reinheit, Freiheit: frei von und frei für. Durch die Wüstenwanderung des Exodus aus dem Sklavenhaus Ägypten ist dies unauslöschlich in die Erfahrungsgeschichte Israels eingeschrieben. Die Herrschaft, die in der Wüste ihren Anfang nimmt, zeigt sich nicht als Gewalt und bedrückende Überlegenheit. Ihre Macht verwirklicht sich in Behutsamkeit, Fürsorge und Zärtlichkeit. Ihre Stärke ist aufbauend, nicht niederreißend. Erzähle allen von dieser Macht! Sei Gottes Freudenbotin, Jerusalem!

Zweite Lesung
Warum müssen wir so lange warten, bis der Herr wiederkommt, fragt die Gemeinde, an die der erste Petrusbrief gerichtet ist. Lasst euch nicht täuschen, die Zeit des Herrn wird anders gemessen als unsere Zeit, antwortet der Schreiber des Briefes, sie hat eine andere Qualität. Jetzt schon ist Gnadenzeit für alle, die umkehren wollen, die sich hier und heute auf den Weg machen, dem kommenden Herrn entgegen.

Evangelium
Am Anfang des Evangeliums von Jesus Christus nach Markus steht Johannes der Täufer. Einer, der vor Jesus da ist, einer, der wartet, einer der ihm den Weg bereitet. Der Evangelist identifiziert ihn mit dem Rufer, von dem der Prophet Deuterojesaja spricht. Die Umkehrwilligen, die aus dem Gehäuse ihres Lebens ausziehen und zum offenen Anfang zurückkehren wollen, suchen Johannes auf und er tauft sie zur Vergebung der Sünden. Das Geschehen sucht sich seinen Ort. In der Wüste, am Nullpunkt, am Ort des Neuanfangs, wird reiner Tisch gemacht, wird Platz geschaffen für den Größeren: Es kommt einer, der wird euch mit heiligem Geist taufen.

(Quelle: Messbuch 2009, Butzon & Bercker Verlag)