Kapitelsamt aus dem Kölner Dom

7. Sonntag der Osterzeit

domradio übertrug am siebten Sonntag der Osterzeit das Kapitelsamt unter der Leitung von Domkapitular Prälat Hans-Josef Radermacher aus dem Kölner Dom.

 (DR)

Die Herren des Kölner Domchors sangen unter der Leitung von Martin Meyer. Die Orgel spielte Domorganist Winfried Bönig.

Am letzten Sonntag vor Pfingsten gerät mehr und mehr die Erwartung ins Blickfeld. Zunächst geht es um die Erwartung des Geistes, der den Glaubenden beisteht und sie begleitet. Der Geist schafft Gemeinschaft und ermöglicht das gemeinsame Gebet. Wenn wir sprachlos sind, nicht wissen, worum wir beten sollen, dann tritt der Geist für uns ein, wie es der Apostel Paulus im Römerbrief (vgl. Röm 8) beschreibt. Diese Erwartung des Geistes aber bleibt ausgerichtet auf eine größere Erwartung, auf die Erwartung der Wiederkunft Christi. Wir kennen weder den Tag noch die Stunde.

Wortgottesdienst

Erste Lesung
"Das Gebet stiftet die Weltordnung", hat der jüdische Philosoph und Bibelübersetzer Franz Rosenzweig (1886-1929) einmal geschrieben. Negativ gewendet, besagt der Satz, dass eine Welt ohne Gebet aus den Fugen gerät. Diesen Eindruck vermittelt auch Lukas zu Beginn der Apostelgeschichte. Die Jünger, die Jesus in den Himmel haben auffahren sehen, verlassen den Ölberg und gehen in das Obergemach in Je-rusalem, das die spätere Tradition mit dem Abendmahlssaal verbinden wird. In Er-wartung des Geistes und in Geduld harren die Jüngerinnen und Jünger in Gemein-schaft dort aus im Gebet. Die verbindende und Frieden stiftende Kraft des Gebets wirkt auch heute. Eine große Aufgabe von Kirche ist es, zu beten, und dieses Gebet schafft Ordnung in der Welt.  

Zweite Lesung
Am Anfang der sich ausbreitenden Jesusbewegung, nur wenige Jahrzehnte nach Tod und Erhöhung ihres Herrn, werden im römischen Großreich Männer und Frauen immer wieder wegen ihres Christseins benachteiligt, bedroht und verfolgt. Die weni-gen Verse des ersten Petrusbriefs sprechen von diesem Leid. Doch dieses Leiden, das kein Selbstzweck, sondern eine harte Notwendigkeit ist, wird aufgefangen durch den "Geist der Herrlichkeit" (vgl. 11,2). Dieser Geist ist ein ständiger Begleiter, ein Tröster in trostloser Zeit.

Evangelium
Jesus betet. In diesem Gebet, dem längsten, das von Jesus überliefert ist, zeigt sich seine ganze Größe und Herrlichkeit. Die Nähe zum Vater, die hier offenbar wird, ist innig: "Alles Meinige ist dein, alles Deinige ist mein." Gerade an dieser Stelle aber weitet sich sogleich der Blick auf die Jünger: "In ihnen bin ich verherrlicht." Jesus er-weist sich in dieser doppelten Nähe - zum Vater und zu den Menschen - als der wahre Mittler. Er ist, wie das Konzil von Chalkedon knapp 400 Jahre später sagen wird, "wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch". Jesus ist der Betende, zu dem wir ver-trauensvoll beten dürfen, denn durch ihn beten wir in der Gemeinschaft des Geistes zum Vater.

(Quelle: Messbuch 2008, Butzon & Bercker Verlag)