Kapitelsamt aus dem Kölner Dom

15. Sonntag im Jahreskreis

domradio übertrug am Sonntag das Kapitelsamt live aus dem Hohen Dom zu Köln. Zelebrant und Prediger war Prälat Prälat Hans-Josef Radermacher.

 (DR)

Wir Menschen stehen der Natur nicht nur gegenüber, wir sind auch Natur - wie wir nicht nur einen Leib haben, sondern Leib sind. Deswegen kann die Natur uns manches lehren. Auch durch sie spricht Gott zu uns, wenn wir achtsam und respektvoll mit ihr umgehen. Die Bibel weiß darum; auch Jesus hat es verstanden. Deshalb finden sich im Alten wie im Neuen Testament viele Bilder und Gleichnisse aus der Natur, die uns die Augen öffnen wollen für das Wirken des Wortes Gottes, für die Realität des Reiches Gottes in uns und unter uns. Lesen wir im Buch der Natur. Es sagt uns etwas über unsere Gegenwart, aber auch über unsere Zukunft.


Wortgottesdienst

Erste Lesung
Wer hat Macht in dieser Welt? Uns fallen vielleicht die großen Nationen ein mit ihren Armeen oder die multinationalen Konzerne, die das globale Wirtschaftsleben bestimmen. Die Bibel weiß um die Macht des Wortes, vor allem um die Macht des Wortes Gottes, das schon manche Waffen strotzende Ideologie dieser Welt zu Fall gebracht bzw. überlebt  hat. Denn wenn Gottes Wort unser menschliches Leben "durchfeuchtet", setzt es immer wieder - manchmal provokativ wie ein Sturm, manchmal ganz sanft und unscheinbar - ein Lebens- und Wandlungsgeschehen in Gang, das sich vollzieht wie die Wachstumsprozesse in der Natur. Wir lassen oft die Köpfe hängen, uns zittern die Knie - doch das Wort unseres Gottes bleibt in Ewigkeit (Jes 40,8.27-31). Vertrauen wir auf seine Grünkraft?

Zweite Lesung
Gott ist ein Gott, der aus Sklaverei und Gefangenschaft herausführt, ein Gott, der Freiheit und Leben  schenken will. Und das gilt nicht nur in Bezug auf die Menschen, sondern auch in Bezug auf die Natur. Gerade in unserer Zeit der Globalisierung merken wir deutlich, wie Mensch und Natur zusammenhängen, wie der Mensch die Macht hat, die Natur - und damit seine Lebensgrundlage - zu zerstören, wie die Natur in Katastrophen zurückschlägt, wenn der Mensch ihr nicht mit Achtung und Respekt gegenübertritt. Vieles spricht zwar gegen eine gute Zukunft. Doch für Paulus gilt: Wo Menschen sich als Kinder Gottes vom Schöpfergeist Gottes bewegen lassen, da gibt es Hoffnung für Mensch wie Natur - wenn auch durch "Wehen" hindurch, durch Chaos und Katastrophe hindurch. Interessanterweise bedeutet das Wort "katastrophé" im Griechischen "Umkehr, Wendepunkt"!            

Evangelium
Gleichnisse sind wie Bilder oder Träume. Man sollte sie nicht auf einen einzigen Begriff bringen. Auch im heutigen Gleichnis schwingt Verschiedenstes mit. Da ist einmal das Bild vom vielerlei Acker. Die Deutung am Ende des Evangeliums kommt darauf zurück. Da liegt es nahe zu fragen: Welche Art von Acker bin ich? Findet sich vielleicht von allen Ackersorten etwas in meinem Leben? Sehe ich so auf das Gleichnis, regt es zur Gewissenserforschung an. Ich kann aber auch den Sämann in den Blick nehmen - im Grunde ein Bild für Gott: Wie verschwenderisch geht der mit dem Saatgut um, so, wie wir den Schöpfer ja auch sonst, z.B. im Frühling, am Werke sehen! Milliarden Samen, und nur weniges geht auf. Aber das Ergebnis ist eine wahrhaft bunte Welt. Schaue ich auf den Sämann, dann wird das Gleichnis zu einer Einladung zur Großzügigkeit, nicht nur in der Natur, sondern auch in der Kirche, in meinem privaten Leben. Da wird es weit.


(Quelle: Messbuch 2008, Butzon & Bercker Verlag)