Fastenhirtenbrief von Kardinal Meisner im Kölner Dom

Zum Gewissen

Im Kölner Dom las am Ersten Fastensonntag Domkapitular Günter Assenmacher den Hirtenbrief Kardinal Meisners vor. Der Kölner Erzbischof warnt darin davor, sich unter Berufung auf das Gewissen über moralische Prinzipien hinwegzusetzen.

 (DR)

Kölns Kardinal Joachim Meisner warnt in seinem in allen Gemeinden verlesenen Fastenhirtenbrief 2012 davor, sich unter Berufung auf das Gewissen über moralische Prinzipien hinwegzusetzen. Der Erzbischof wendet sich dagegen, dass bei wichtigen ethischen Fragen das Gewissen mit dem eigenen Gefühl gleichgesetzt werde. So sei der gesetzliche Schutz des ungeborenen Lebens "in den letzten 40 Jahren Schritt für Schritt so gut wie aufgegeben" worden. "Und wie oft wurde und wird dabei mit dem Gewissen argumentiert - allerdings mit einem Gewissen, das sich längst nicht mehr der Stimme Gottes verpflichtet weiß", so der Erzbischof.



Meisner kritisiert, dass an die Stelle eines objektiven Anspruchs die subjektive Meinung trete und im politischen Bereich Wahrheit durch Mehrheit ersetzt werde. Es sei ein weit verbreiteter Irrtum, das Gewissen könne selbst kreativ werden und aus sich selbst heraus Normen setzen. Vielmehr sei das Gewissen als "moralisches Gehör" auf die Stimme Gottes angewiesen. Die Lehre der Kirche mit ihren unbequemen und manchmal scheinbar unzeitgemäßen Äußerungen habe keinen anderen Sinn, als dieser Stimme Ausdruck zu verleihen.



"Das autonome Gewissen ohne Gebundenheit an die vorgegebenen Weisungen, Gebote und Normen wäre wie ein Richter, der seine Urteile ohne Gesetz fällt", sagte der Kardinal. Er widersprach der Auffassung, dass der Mensch durch Gesetze, Normen und Weisungen fremdbestimmt werde. Als Abbild Gottes könne sich der Mensch nur in lebendiger Beziehung zu seinem Urbild entfalten. Nur dann komme die Vernunft "zu ihrer ganzen Fülle und das Gewissen zu seiner vollen Würde und Bedeutung".