Erzbischof gibt Karnevalisten Segen

Mit dem Kardinal zum Papst

Es ist eine schöne Tradition: Auch in diesem Jahr hat der Kölner Kardinal Joachim Meisner mit den Karnevalisten der Stadt einen Gottesdienst im Dom gefeiert. Die Jecken starteten damit in die heiße Phase der fünften Jahreszeit. Karneval und Kirche demonstrieren seit 2007 in Köln mit einem Gottesdienst ihre Verbundenheit. In diesem Jahr hatte der Kardinal eine besondere Überraschung parat.

 (DR)

An dem Pontifikalamt am Vorabend der Prinzenproklamation nahmen auch das designierte Dreigestirn, das Kinderdreigestirn und zahlreiche Mitglieder der Festkomitee-Gesellschaften teil.



In seiner heiteren Predigt verwies Meisner auf Parallelen zwischen dem Karneval und den drei vorweihnachtlichen Heiligen Martin, Elisabeth und Nikolaus. Die farbenfrohen Uniformen und Kostüme müssten etwas von Mantel des heiligen Martin haben, den dieser selbstlos mit einem Bettler am Wegesrand geteilt hatte, meinte der Kardinal. Der Karneval bekäme dann "seinen Glanz und seine Würde, wenn die Karnevalisten selbstlos die Freude des Herzens mit anderen teilen und wenn sie nicht verletzen wollen, sondern den anderen erfreuen möchten".



Ähnliches gelte für das sogenannte Rosenwunder und die Schürze der heiligen Elisabeth, fuhr Meisner fort. In ihr hatte sie den Armen heimlich Brot gebracht. Von ihrem Gatten ertappt, enthielt die Schürze nur noch Rosen. Die Legende könne Programm für den Karneval sein, so der Kardinal. "Der Hunger des Herzens ist oft viel größer als der Hunger des Magens." Durch Karneval würden die Menschen froh.



Schließlich verglich Meisner den Sack des heiligen Nikolaus mit den Säcken und Behältern, aus denen beim Karneval Kamelle unters Volk geworfen wird. "Wer zum Karneval geht, der sollte nicht nur dafür sorgen, dass die Uniform oder das Kostüm gut sitzt, sondern er soll auch immer darauf achten, dass er etwas in seinem Herzen hat und vielleicht auch in seiner Tasche, um es mit anderen teilen zu können."



Der Kölner Kardinal dazu auf, Protest und Anklage ein wenig zurückzustellen und das "viele Positive, das es ja auch bei uns gibt, in den Vordergrund zu rücken, um die Menschen daran zu erinnern". Das geschehe "Gott sei Dank im Karneval oft durch die Ironie und den Humor". Der beste Karnevalshumor sei dort, so Meisner, "wo man über sich selber lachen kann und wo man auch fähig und bereit ist, sich selbst auf den Arm zu nehmen." Der Kölner Erzbischof gab zu, ein Spätberufener des Kölner Karnevals zu sein, aber "wenn wir ihn noch nicht erfunden hätten, dann müsste man ihn heute noch erfinden!"



Zum Abschluss des Pontifikalamtes verkündete Kardinal Meisner noch eine besondere Überraschung: Er werde im Februar mit dem amtierenden Dreigestirn in Audienz bei Papst Benedikt XVI. empfangen werden.



Eine gelebte Verbindung - Karneval und Kirche

"Karneval oder Kirche?" - für die Domstadt Köln ist diese Fragestellung undenkbar. So lange der Dom steht, wird Karneval gefeiert und so lange es Karnevalisten gibt, werden sie dem Dom die Ehre erweisen. Zunächst ist sicher, dass nicht die Karnevalisten die Dauer einer jeden Session bestimmen. Das jecke Ende leitet sich aus der Lage des christlichen Festes Ostern ab. Einen ersten Vorgeschmack auf die Session gibt es schon im Herbst - dann kalendarisch festgelegt auf den 11. im 11. - also den 11. November. Für die Verantwortlichen im Kölner Karneval - ganz konkret der Vorstand des Festkomitees - und das designierte Kölner Dreigestirn wird es an diesem lebhaften Tag zunächst still. Denn die "Karnevalsoffiziellen" besuchen morgens erst den Dom, besinnen sich einen Moment, kommen kurz zur Ruhe und erleben, wie klein doch der einzelne Mensch in diesem großartigen, mächtigen Gebäude erscheint. Wenige Stunden später werden diese Personen von den Medien begleitet, auf den karnevalistischen Bühnen begrüßt und gefeiert. Dies ist der Vorgeschmack auf das, was in der Session folgen wird.



Am Vorabend der Proklamation des Kölner Dreigestirns wird ein Gottesdienst im Hohen Dom zu Köln gefeiert. Dieser Gottesdienst, ein Pontifikalamt, wird durch den Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner zelebriert. Die Verbundenheit zwischen Karneval und Kirche zeigt sich außerdem in nahezu jeder der einzelnen Karnevalsgesellschaften:Kaum eines der bekannten Traditionskorps verzichtet auf eigene Gottesdienste, die entweder zum Gedenken der Verstorbenen oder zum Auftakt der Session abgehalten werden. Zudem gibt es viele Karnevalsgesellschaften, die auf einen Geistlichen in den eigenen Reihen nicht verzichten wollen. Diese Geistlichen tragen innerhalb der Gesellschaften ganz unterschiedliche Bezeichnungen und gestalten eigene Gottesdienste mit den Karnevalisten.



Pfarrsitzungen und Domsitzung

Zahlreiche Künstler im Karneval haben erste Erfahrungen in Pfarrsälen und bei sogenannten "Pfarrsitzungen" gesammelt. Weit mehr als 100 Pfarrsitzungen zählt man in Köln und sicher eben so viele Gottesdienste, die den karnevalistischen Bezug herstellen. So mancher Priester predigt in der Session mit Pappnase - wer kann, auch in der "kölschen Sprooch". Denn diese Sprache ist tief aus dem Herzen der Kölner gewachsen und somit gehen solche Botschaften besonders unter die Haut und ans rheinische

Herz. In die karnevalistische "Mess op Kölsch" geht der Jeck sogar bunt kostümiert. So gekleidet besucht er natürlich auch die so genannte Domsitzung, eine Karnevalsveranstaltung, bei der sich viele Geistliche und Verantwortliche der Kirche treffen und die kulturellen Werte des Karnevals pflegen.



Als traditionsreicher Termin des Kölner Dreigestirns gilt mittlerweile der Besuch beim Erzbischof. Zahlreiche Benefizveranstaltungen, die durch das Festkomitee und das Kölner Dreigestirn unterstützt werden, gibt es in Köln. Bei einem dieser Termine lässt es sich Erzbischof Joachim Kardinal Meisner nicht nehmen, in Begleitung von Oberbürgermeister und Festkomitee-Präsident als Schirmherren, mit dem Klingelbeutel für eine gute Sache durch die Besucherreihen zu gehen. Dass vergleichbares Engagement auch in der Evangelischen Kirche zu finden ist, versteht sich von selbst. Auch der

Besuch des Kölner Dreigestirns beim Stadtsuperintendenten gehört zu den beliebten Terminen eines jeden Trifoliums. Die karnevalistischen Traditionen um die "Schwarze Muttergottes" in der Kirche St. Maria in der Kupfergasse reichen weit zurück. Traditionen werden auch hier gelebt, wenn das Kölner Dreigestirn an einem genau festgelegten Tag eine Kerze aufstellt, um damit Gottes Segen für den Rosenmontagszug zu erbitten.



Karneval oder Kirche?

Sicher wirkt der Bezug zwischen Karneval und Kirche für Fremde ungewöhnlich und eigenartig. Genau deshalb ist er ein Teil der Kölner Identität und darum gilt es, dies zu pflegen und zu würdigen. Sicher wird der Karnevalist, der die "Mess op Kölsch" besucht, auch beim "Äschekrütz" nicht fehlen. Denn der Jeck weiß: Erst die Fastenzeit gibt dem nächsten Freudenfest im Jahr wieder einen glanzvollen Stellenwert: Ostern. Der Kölner besingt auch dies wieder mit "Am Aschermittwoch ist alles vorbei". Schließen wir mit dem Beginn - Karneval oder Kirche? Der Kölner muss sich nicht entscheiden. Gott sei Dank - wem auch sonst?!



Autor: Bernd Höft, Mitglied des Vorstandes des Festkomitees Kölner Karneval von 1823